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Profis 07.05.2025 - 18:30 Uhr

Rieß: "Das alles hat mich berührt"

Das 23-jährige Eigengewächs der 05ER über sein Bundesliga-Debüt, die Emotionen danach & seinen Weg durch das Nachwuchsleistungszentrum

Den Sonntagabend ließ Lasse Rieß in aller Ruhe am Handy ausklingen. Zahlreiche Glückwunsch-Nachrichten zu seinem Bundesliga-Debüt im Tor des 1. FSV Mainz 05 gegen Eintracht Frankfurt hatten sich angesammelt und wollten noch beantwortet werden. Ein paar Stunden zuvor hatte der 23-Jährige erst erfahren, dass der Moment, auf den er seit seiner Jugend hingearbeitet hatte, kommen würde, weil Robin Zentner wegen muskulärer Probleme nicht spielen konnte. Und das ausgerechnet im stimmungsvollen, aufgeladenen Rhein-Main-Duell in einer ausverkauften MEWA ARENA. "Ich habe mich gefreut, dass es so weit ist. Dafür habe ich mein Leben lang Fußball gespielt, um den Traum von der Bundesliga wahr werden zu lassen.“

Das Aufwärmen und Einlaufen vor der großen Kulisse waren Momente zum Genießen. Etwas angespannt, aber voll konzentriert ging es kurz danach los. Das Spiel war noch keine zwei Minuten alt und Rieß endgültig in der höchsten deutschen Spielklasse angekommen. Beim Schuss von Hugo Ekitiké aus kurzer Distanz schnappte er sicher zu, kurz danach klärte er außerhalb des Strafraums in höchster Not. "Das hat nicht nur mir Sicherheit gegeben, sondern auch meinen Mitspielern. Sie wussten dann, dass sie sich auf mich verlassen können.“ Das 1:1-Unentschieden ging für den 23-Jährigen insgesamt in Ordnung. "Das Quäntchen Glück, um solche Spiele mal zu gewinnen, fehlt uns momentan ein wenig.“ Trotz des Gegentores blickt er persönlich auf ein gelungenes Debüt zurück. "Es war natürlich nicht alles perfekt, aber ordentlich, denke ich.“

Emotionen nach dem Debüt

Direkt nach dem Abpfiff kamen die Emotionen hoch. Erst da konnte Rieß wirklich realisieren, was er erlebt hatte. "Alles ist ein wenig von mir abgefallen. Es ist ja auch Druck da, obwohl ich mir selbst nicht so viel gemacht hatte. Ich wusste, dass meine Familie und Freunde stolz auf mich sind. Von meinen Mitspielern habe ich Anerkennung bekommen, dass ich es gut gemacht habe. Auch das gesamte Trainerteam kam zu mir.“ Der 23-Jährige war fast ein wenig überwältigt und den Tränen nah. "Das alles hat mich berührt. Ich habe mich einfach gefreut, weil ein Traum in Erfüllung gegangen ist, den ich als kleiner Junge schon hatte.“

Es ist eine dieser Geschichten, die in Mainz schon öfter geschrieben wurden und deshalb nicht weniger besonders werden. 2012 wechselte der damals 11-jährige Junge aus Nieder-Olm an den Bruchweg. Die rheinhessische Kleinstadt liegt nur rund 14 Kilometer entfernt von Mainz. "Ich ging auf die IGS Mainz-Bretzenheim, eine Partnerschule von Mainz 05. Ein paar meiner Mitschüler haben in Mainz gespielt. Ich war damals noch Stürmer in Nieder-Olm.“ Im Probetraining am Bruchweg durfte Rieß sein Können als Feldspieler und im Tor zeigen. Überzeugt hatte er die 05ER als Schlussmann. "Ich wollte unbedingt nach Mainz. Irgendwann kam dann der Anruf.“ Er wurde in der Saison 2012/13 Teil der Mainzer U12. Seine Teamkollegen unter anderem: Niklas Tauer und Mey Papela.

Seit 2012 beim Herzensverein

Der FSV war auch sein Herzensverein. "Der ehemalige 05-Stürmer Petr Ruman hatte für seinen Trainerschein ein paar Einheiten bei uns in Nieder-Olm geleitet. Darüber kam auch meine persönliche Verbindung zu Mainz 05.“ Ruman organisierte auch, dass Rieß und seine Nieder-Olmer Teamkollegen als Einlaufkinder im Bruchwegstadion bei einem Spiel der Profis hautnah dabei sein konnten. Rieß lief an der Hand von Miroslav Karhan beim Derby gegen Kaiserslautern ein. Von da an war er auch leidenschaftlicher Anhänger der 05ER.

Jahr für Jahr entwickelte sich der heute 1,92 Meter große Torhüter weiter, das Ziel, Profi zu werden, immer im Hinterkopf. "Ich habe lange nicht erkannt, was dazugehört. Es ging erstmal darum, immer ein Jahr weiterzukommen“, so Rieß. Dazu gehörte auch, mit Rückschlägen und Widerständen umzugehen. Als junger Jahrgang in der U19 musste er sich eine Saison als zweiter Torhüter hinter dem Stammkeeper Marius Liesegang einreihen. Bo Svensson hatte in seiner Zeit als Jugendtrainer beim FSV einst Rieß‘ Umgang mit seinem Talent kritisiert. "Ich weiß, wie Bo es gemeint hat. Mir fehlte die Weitsicht, weil ich als Jugendspieler immer weitergekommen bin und es gereicht hat. Ich hätte im athletischen Bereich mehr machen können, auch meinen linken Fuß habe ich erst spät trainiert. An diesen kleinen Schrauben, dieser absoluten Professionalität, hätte ich früher drehen können. Aber alle Schwierigkeiten, auch das Jahr auf der Bank, haben mir im Rückblick viel gegeben.“

In der U23 macht es 'Klick'

Spätestens in der U23 machte es dann 'Klick'. "Ich habe zu dieser Zeit endgültig gemerkt, dass hier etwas drin ist und richtig Gas gegeben.“ Großen Anteil an seiner Entwicklung hatte Sven Hoffmeister. Der Chef-Torwarttrainer im NLZ begleitete Rieß während seiner Nachwuchslaufbahn besonders intensiv. "Ich habe mit Hoffe von der U15 bis zur U23 viel Zeit verbracht.“ In der Jugend wurde er mit jeglicher Torwarttechnik ausgestattet. "Bei den Profis macht Kuhni - das kann man so sagen - einen Mann aus dir“, sagt Rieß über den langjährigen Mainzer Torwarttrainer. Athletik, Körper, Erwartungshaltung und Pensum steigern sich immens. "Man kommt gut ausgebildet nach oben und muss sich dann ranbeißen.“

Geduld sei eine weitere, wichtige Komponente, wenn man zur ersten Mannschaft aufrückt. Denn am Ende kann immer nur einer im Tor stehen. Die Wahrscheinlichkeit, es zu schaffen, ist für Nachwuchsspieler noch geringer als auf dem Feld. "Zunächst einmal ist es wichtig, dass es bei Mainz 05 eine U23 gibt. Robin hat dort gespielt, war in der dritten Liga und musste sich durchkämpfen. Finn hatte viele Einsätze in der U23 und musste sich lange hinten anstellen“, beschreibt Rieß den Weg eines Nachwuchstorhüters, der meistens nicht glatt geteert ist. "Mit 23 ist man eigentlich noch ein Talent als Torwart. Ich habe noch Zeit und bekomme sie hier auch, bis irgendwann mal ein Fenster aufgeht. Dazu braucht man das richtige Timing und auch Glück.“ Rieß will lieber hart an sich arbeiten, statt markige Sprüche abzugeben. "Auch jedes Testspiel ist wichtig für mich, um mich weiterzuentwickeln. Ich glaube fest daran, dass ich irgendwann regelmäßig zwischen den Pfosten stehen kann.“

Gut ausgebildet und voller Selbstvertrauen für die Zukunft

Warum es so viele Torhüter bei Mainz 05 aus dem Nachwuchs in die Bundesliga schaffen? "Es ist unheimlich attraktiv für junge Torhüter, zu wissen, dass man hier in Mainz die Chance bekommt, sich in der Bundesliga etablieren zu können. Das ist der wichtigste Punkt. Statt externe Torhüter zu verpflichten, wird hier erstmal auf den eigenen Nachwuchs geschaut. Natürlich müssen die Torhüter auch gut ausgebildet sein. Da haben Hoffe und Kuhni ihre Aktien drin. Mainz 05 ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt.“

Sich irgendwann in der Bundesliga zu etablieren, ist das Ziel des 23-Jährigen. Das Debüt gegen die Eintracht hat ihm dafür eine weitere Portion Selbstvertrauen gegeben. "Für mich ist wichtig, dass ich mir selbst zeigen konnte, dass ich auf diesem Niveau mithalten kann. Und auch der Verein hat gesehen, dass er mir vertrauen kann, wenn ich gebraucht werde. Das ist eine Basis, auf der ich aufbauen kann, um irgendwann mal ein Bundesliga-Torhüter zu werden. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist mir bewusst. Ich werde weiter daran arbeiten, mich verbessern und schauen, was die Zukunft für mich bereithält“, so Rieß.