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Profis 28.07.2022 - 10:05 Uhr

Keyhanfar: "Es geht wieder um etwas"

Der Co-Trainer der 05ER im Interview vor dem Pflichtspielstart am Sonntag

Vorfreude auf den Saisonauftakt: Co-Trainer Babak Keyhanfar.

Seit 2018 arbeitet Babak Keyhanfar als Co-Trainer mit Bo Svensson zusammen. Zunächst im Nachwuchsleistungszentrum in der U19 von Mainz 05, dann beim FC Liefering in Österreich und seit Januar 2021 im Bundesliga-Team des FSV. Vor dem Pflichtspielauftakt in der ersten Runde des DFB-Pokals am Sonntag (18 Uhr, live auf SKY und 05ER.fm) haben wir mit dem gebürtigen Mainzer gesprochen.

Im Interview äußert sich der 37-Jährige unter anderem über den Stand der Vorbereitung, Vorfreude auf den anstehenden Saisonstart und seine Arbeit als Co-Trainer.

Hallo Babak, diese Woche steht das erste Pflichtspiel der Saison an. Wie fokussiert seid ihr als Trainerteam, wie fokussiert ist die Mannschaft?

"Zunächst einmal ist es für uns zum Ende der Vorbereitung, nach vielen Terminen und dem späten Einstieg der Nationalspieler, wichtig, dass Ruhe einkehrt und wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Letztendlich sind wir alle Wettkampftypen und die ganze Vorbereitung zielt darauf ab, zum Pflichtspielauftakt bereit zu sein, um Punkte, oder um die nächste Runde, zu fighten. Die Vorfreude merkt man der Mannschaft und dem Trainerteam an. Die Spannung und der Fokus sind nochmal ein Stück höher, denn am Ende der Woche wartet ein Pflichtspiel, es geht wieder um etwas."

Wie drückt sich das in der Mannschaft aus?

"Einige sind in der fünften Vorbereitungswoche, die Nationalspieler erst in der dritten. Das geht aber allen Mannschaften so. Wichtig ist es, die Unterschiede zu erkennen und mannschaftstaktisch, aber auch individuell, mit diesen umzugehen. Mit den Bildern der letzten Saison vor Augen, muss jeder darauf hinarbeiten, dieses Level wieder zu erreichen. Das haben wir nach dem Bilbao-Spiel noch einmal klar aufgezeigt. Im besten Fall sind alle Spieler, die in Aue zum Einsatz kommen, am Sonntag bei 100 Prozent."

Spielt die Erstrunden-Partie in Elversberg, die ja im letzten Jahr ein richtiger Kraftakt war, eine Rolle in den Köpfen der Spieler?

"Ich habe durch die Trainingseinheiten in dieser Woche das Gefühl, dass die Jungs das Spiel angehen, wie eine Bundesliga-Partie. Wir haben genug erfahrene Jungs dabei, die im Pokal schon mal gegen Drittligisten ausgeschieden sind. Deswegen weiß jeder, was da auf uns zukommt und wie schwer die Aufgabe werden kann. Natürlich sind wir der Favorit und haben den Anspruch, eine Runde weiterzukommen. Aber es wartet ein unberechenbarer Gegner, mit neu zusammengestelltem Kader und den eigenen Fans im Rücken auf uns."

Was sind die zentralen Trainingsinhalte in der Woche vor dem Pflichtspielstart?

"Wir haben die eigenen Prinzipien in den Fokus gerückt. Die Basis ist das Spiel gegen den Ball, besonders das Pressing, das wir in den letzten Wochen immer wieder trainiert haben. In dieser Woche konzentrieren wir uns vermehrt auf das Spiel mit Ball. Wir können als Trainerteam nicht einfordern, dass das funktioniert, ohne dass die Prinzipien klar sind und man es immer wieder wiederholt. Da wollen wir den nächsten Schritt machen und entwickeln uns inhaltlich in die richtige Richtung. Man merkt den Jungs an, dass sie Lust haben, das umzusetzen."

Auch selbst aktiv: Keyhanfar während eines Spiels an der Seitenlinie.

Gut anderthalb Jahre sind seit eurem Amtsantritt vergangen. Wie blickst du auf die bisherige Zeit zurück und wie groß ist die Herausforderung, das zu bestätigen?

"Die letzten anderthalb Jahre geben uns Selbstvertrauen und sind eine gute Basis. Aber im Profifußball spricht man oft vom Tagesgeschäft, man wird Woche für Woche geprüft. Natürlich ist da ein gewisser Stolz, aber man darf nie nach hinten gucken und sich auf die Schultern klopfen. Deshalb muss man immer wieder die Basis pflegen, die einen erfolgreich gemacht hat, sich weiterentwickeln und aus Erfahrungswerten in allen Bereichen lernen, um auch inhaltlich die nächsten Schritte gehen zu können. Das versuchen wir in die Mannschaft hereinzutragen."

In der vergangenen Saison waren wir zuhause sehr erfolgreich. Wie wollt ihr die Stärken des Teams auch auswärts häufiger auf den Platz bekommen?

"Es ist etwas Besonderes, zuhause zu spielen. Durch die Pandemie haben wir nochmal deutlich gespürt, welchen Antrieb die Fans geben können. Vor toller Kulisse und bei so einer positiven Stimmung zu spielen, gibt natürlich Selbstvertrauen. Es war großartig, dass wir unseren Fans in der letzten Saison etwas zurückgeben konnten. Trotz der ausbaufähigen Bilanz gehen wir aber nicht ängstlich in die Auswärtsspiele. Es geht vielmehr darum, anders aufzutreten. Anders heißt nicht, dass letzte Saison alles schlecht war, aber wir müssen alle noch mehr aus unseren Fehlern lernen und die Erfahrungen mit in die Saison nehmen, um die Auswärtspartien besser zu gestalten."

Wir haben durch den Abgang einiger Eckpfeiler und die Verpflichtung von Neuzugängen einen kleinen Umbruch hinter uns. Wie weit ist der Teambuilding-Prozess vorangeschritten?

"Besonders durch die Abgänge von Moussa Niakhaté, Jeremiah St. Juste und Adam Szalai haben wir im letzten halben Jahr einige Führungsspieler verloren. Das ist gleichzeitig eine Chance, dass sich neue Hierarchien bilden und Spieler, die bis jetzt eine gute Rolle gespielt haben, noch mehr Verantwortung übernehmen. Zwar gibt es im Fußball heutzutage eher flache Hierarchien, dennoch sollten sich Charaktere herauskristallisieren, die auf dem Platz und in der Kabine die Richtung vorgeben. Da sind wir noch in einem Prozess, aber auf dem richtigen Weg. Wir haben viele Charaktere in der Mannschaft, die Verantwortung übernehmen."

Dir kommt als Co-Trainer nicht zuletzt eine wichtige Rolle im persönlichen Austausch mit den Spielern zu. War diese Komponente schon immer eine deiner Stärken?

"Ich glaube, dass mir der zwischenmenschliche Kontakt sehr gut liegt, weil ich gerne mit Menschen zusammenarbeite, kommuniziere und Spaß habe, aber auch ernste Dinge anspreche. Zu einem Co-Trainer passt das gut, ich hatte aber auch damals als Cheftrainer in der Oberliga einen sehr engen Kontakt zu den Spielern. In unserer Kombination ist es so, dass auch Bo ein umgänglicher Typ ist, ich aber in meiner Rolle nochmal ein bisschen näher am Team dran bin." 

In der Mainzer U19 begann der Weg von Keyhanfar als Co-Trainer von Bo Svensson. Über die Station Liefering ging es zusammen in die Bundesliga.

Ihr habt als Trainerteam in der Vergangenheit häufiger im Fokus der Schiedsrichter gestanden. Habt ihr das Gefühl, euch deshalb anpassen zu müssen?

"Ich denke, dass wir eine laute und emotionale Bank sind. So haben wir uns vielleicht einen gewissen Ruf erarbeitet und müssen in Zukunft womöglich etwas vorsichtiger sein. Das ist aber für uns kein großes Thema. Im Endeffekt geht es immer darum, dass man der Mannschaft durch sein Verhalten nicht schadet. Wenn Bo das Gefühl hätte, dass es in diese Richtung geht, dann würde er das selbst regulieren."

Du bist als Co-Trainer auf der Bank aktiv und präsent. Wie definierst du deine Aufgabe während eines Spiels?

"Das ist eine Typ-Frage. Ich bin da lebendig, immer im engen Austausch mit Bo und Co-Trainer Patrick Kaniuth, der mit unserem Videoanalysten Tijan Njie verbunden ist. Meine Aufgabe besteht darin, die inhaltlichen Elemente aus der Analyse weiterzugeben, wenn ich denke, dass es in die Situation passt. In erster Linie geht es darum, dass ich einen zweiten Blick auf das Spiel habe, und dann mit Bo bespreche, was wir verändern können, um der Mannschaft zu helfen."

Du arbeitest seit 2018 mit Bo als Trainerteam zusammen. Hat sich eure Zusammenarbeit über diesen Zeitraum weiterentwickelt?

"Jahr für Jahr. Man versteht immer besser, was der eine von dem anderen möchte und ergänzt sich zunehmend. In der Zeit in Salzburg hat sich eine echte Freundschaft entwickelt, da wir zu zweit, ohne unsere Familie in eine neue Umgebung kamen und dadurch noch mehr Zeit zusammen verbracht haben. Sportlich haben wir von allen Stationen Dinge mitgenommen. Nach den Spielen besprechen wir uns oft, um für die Zukunft zu lernen. Die Erfahrungswerte, die man aus den Spielen in der Bundesliga herauszieht, machen einen besser für das nächste Mal."

Wann war für dich klar, dass du nach deiner aktiven Zeit in der Oberliga weiter im Fußball-Business bleiben möchtest?

"Es war für mich nie ein Business. Das sagen viele, aber ich kann es auch beweisen. Ich habe neben meinem eigenen fußballerischen Engagement jahrelang als Jugendtrainer gearbeitet und schon immer eine riesige Leidenschaft für den Sport gehabt. Ich bin es damals schon mit dem Eifer eines Profis angegangen, obwohl ich ganz normal gearbeitet habe. Diese Freude und Begeisterung haben mich, in Kombination mit ein bisschen Glück, dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Dabei ist die Freude am Fußball immer die gleiche geblieben. Gerade in Bezug auf die Menschenführung konnte ich viel aus dem Amateurbereich mitnehmen, inhaltlich ist es natürlich ein großer Unterschied."

Was hast du früher hauptberuflich gemacht?

"Das war sehr vielfältig. Ich habe unter anderem bei einer japanischen Sportmanagement-Agentur gearbeitet, die jungen Talenten aus Japan mit einem umfassenden Angebot die Möglichkeit gegeben hat, nach Europa zu kommen, um hier Fußball zu spielen. Vorher habe ich bei meinem Vater im Landschafts- und Gartenbau mitgeholfen und auch schon in einem Blumenladen gearbeitet."

Du bist in Mainz geboren, aufgewachsen und hier fest verwurzelt. Wie stolz macht es dich, für den Klub aus deiner Stadt tätig sein zu dürfen?

"Das fühlt sich super an. Wenn ich später mal zurückschaue, bin ich vielleicht noch stolzer darauf. Das erste halbe Jahr war wie ein Traum: Wenn der eigene Verein so dasteht, und man es dann als Trainerteam schafft, für die Wende zu sorgen, ist das ein Riesengefühl. Aber auch grundsätzlich, in der Heimat, nah an der Familie zu sein und auf diesem Niveau arbeiten zu dürfen. Deswegen genieße ich das und hoffe, dass es noch einige Zeit so bleibt."