Profis 07.02.2023 - 18:00 Uhr
Ajorque: "Ich glaube an Schicksal"
Bereits vier Partien hat der französische Neuzugang in seinen ersten Wochen in Mainz für die 05ER absolviert, nun möchte er seine Teamkollegen Stück für Stück besser kennenlernen.
Es war ein fliegender Start für Ludovic Ajorque beim 1. FSV Mainz 05: Einen Tag vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund unterschrieb der französische Stürmer am 24. Januar seine Arbeitspapiere bei den Rheinhessen, danach ging es Schlag auf Schlag. Erst die unglückliche Niederlage gegen den BVB, drei Tage später der Heimsieg gegen den VfL Bochum, bei dem der 28-Jährige bereits erstmals in der Startelf stand. Auch bei den Niederlagen gegen den FC Bayern im Pokal und zuletzt bei Union Berlin durfte Ajorque jeweils von Beginn an ran. Vier Partien in elf Tagen liegen also hinter dem Neuzugang, der nun erstmals etwas Zeit hat, um durchzuatmen und in Mainz anzukommen.
Wenig Eingewöhnungszeit
"Ich bin in einer schwierigen Zeit eingetroffen, mit vielen Spielen und wenig Training. Es ist nicht einfach, wenn man die Mannschaft und die Abläufe noch nicht so gut kennt, aber ich versuche meine Leistung zu bringen und das Maximum rauszuholen", resümiert Ajorque seine ersten beiden Wochen als 05ER und blickt gleichzeitig auf die nächsten Aufgaben voraus. Überrascht, schnell so viel zu spielen, war der Stürmer dennoch nicht, schließlich sei er in Straßburg voll im Training gewesen. "Ich habe mit dem Trainer gesprochen und wusste, dass zwei Englische Wochen anstehen", war sich der Franzose bereits vor dem Wechsel darüber im Klaren, dass er keine lange Eingewöhnungszeit bekommen würde, bevor er erstmals im rot-weißen Jersey auf dem Rasen steht.
Von der Insel in den Profi-Fußball
Geboren und aufgewachsen ist Ajorque auf Réunion, einem französischen Übersee-Département im Indischen Ozean. Dort spielte er lange Zeit auf Amateurniveau, bevor der Sprung ins Profi-Geschäft gelang. "Es ist schwierig, aus Réunion rauszukommen und Profi-Fußballer zu werden", erklärt Ajorque der die Insel im Alter von 18 Jahren in Richtung französisches Festland verließ. "Natürlich gab es Phasen, in denen ich zurück in die Heimat und das Profi-Geschäft verlassen wollte. Aber ich habe mich nicht aufgegeben, weiter hart gearbeitet und bin meinen Weg gegangen", beschreibt Ajorque die ersten Jahre seiner Karriere. In seinem ersten Jahr in der dritten Liga konnte sich der Stürmer für höhere Aufgaben empfehlen und arbeitete sich über die zweithöchste Spielklasse in die Ligue 1.
Einen fußballerischen Nachteil erkennt der Stürmer durch das Aufwachsen auf der Insel dennoch nicht, auch wenn es dort keinen Profi-Fußball gibt. Unter der Woche habe er im Alter von zwölf bis 14 in einer Auswahl trainiert und am Wochenende mit seiner Vereinsmannschaft auf Amateurniveau gespielt. "Wir haben in Réunion viele Talente", so Ajorque, man müsse aber wesentlich besser sein als die Spieler vom französischen Festland, um eine Chance im Profi-Fußball zu erhalten. Ajorque erhielt diese bei Angers, von wo es ihn über mehrere Leih-Stationen 2018 zu Racing Strasbourg zog.
Im zweiten Anlauf in die Bundesliga
Dort spielte der Franzose einige Jahre gemeinsam mit seinem Landsmann Anthony Caci, der im vergangenen Sommer aus dem Osten Frankreichs nach Rheinhessen wechselte. Natürlich sei "Titi", wie der Verteidiger in der Mannschaft genannt wird, sein erster Kontakt gewesen, als sich der Wechsel zum FSV anbahnte. "Er hat mir gesagt, dass es ein familiärer Klub ist und ein guter Teamgeist herrscht. Letztlich war das auch ein Grund, weshalb ich mich für Mainz entschieden habe", berichtet der Neuzugang. In der Ligue 1 erzielte der Angreifer in den vergangenen Jahren in 135 Spielen 46 Tore und legte 17 weitere vor. Nun folgte er Caci in die Bundesliga.
Schon im Sommer Stand für den Stürmer ein Wechsel nach Deutschland im Raum, der Transfer zu Hertha BSC platzte jedoch, die Vereine seien sich nicht einig geworden, berichtet Ajorque. "Ich glaube an Schicksal, der Wechsel zu Hertha hat nicht sollen sein. Jetzt bin ich froh, in Mainz zu sein." Dort möchte er seinen Weg weitergehen, wie er selbst sagt, mit dem FSV erfolgreich sein und viele Tore schießen.
Das Team besser kennenlernen
Tore schießen sei in Frankreich bei Angreifern allerdings nicht primär entscheidend. "Man schätzt es, wenn ein Stürmer seine Mitspieler in Szene setzt", erklärt Ajorque, der auch in Mainz schon in der einen oder anderen Situation den besser postierten Teamkollegen anspielte, statt selbst abzuschließen. "Mittlerweile glaube ich, dass man in Deutschland möchte, dass ein Stürmer egoistischer ist und draufhält. Das werde ich mir für die Zukunft vielleicht vornehmen", lacht Ajorque, wurde er doch schon des Öfteren auf sein Verhalten vor dem gegnerischen Tor angesprochen.
Karim Onisiwo lobte die wertvolle Arbeit seines Sturm-Kollegen nach dem 5:2 gegen den VfL Bochum indes, als Ajorque dem Österreicher als Zielspieler mehr Freiräume verschaffte. "Natürlich ist es ein Kompliment, vom Stamm-Stürmer zu hören, dass er von mir profitiert. Ich hoffe, dass wir die nächste Zeit nutzen können, um uns besser einzuspielen. Das gilt nicht nur für Karim, sondern für alle anderen auch", sieht der Angreifer noch Potenzial im Zusammenspiel mit seinen Teamkollegen.
Insgesamt sei die Intensität in der Bundesliga höher als in der Ligue 1, es gehe mehr hin und her, wodurch sich mehr Räume ergeben. In Frankreich stehe hingegen die Kompaktheit im Fokus. Auch in den Trainingseinheiten sei die Intensität hoch. Dies habe er bereits im ersten Training mit seinem neuen Team kurz nach der Vertragsunterzeichnung, der Abschlusseinheit vor dem Dortmund-Spiel, gemerkt. Am heutigen Dienstag absolvierte der Stürmer dann nach den beiden Englischen Wochen die "erste normale Trainingseinheit" mit seinem Team.
Kopfballstark und technisch versiert
Mit einer Körpergröße von 1,96 Meter liegt eine gewisse Kopfballstärke natürlich nahe. Es komme aber auf die Mannschaft an, erklärt der Stürmer: "In der letzten Saison habe ich mehr Kopfballtore gemacht, aber ich treffe auch gerne mit den Füßen." Denn auch technisch ist der Stürmer versiert, wie er in seinen ersten Auftritten für die 05ER bereits unter Beweis gestellt hat. "Ich denke nicht, dass meine Größe ein Nachteil für mich ist, im Gegenteil. Solche Spielertypen sind gefragt, jede Mannschaft wünscht sich einen großen Stürmer vorne drin", weiß der Franzose, der sich auch gerne in das Spiel einschaltet und dieses mitgestaltet, statt nur auf lange Bälle zu warten.
"Ich habe immer bei spielstarken Mannschaften gespielt, bei denen viel flach hintenraus gespielt wurde", erklärt Ajorque und weiß, dass es auch Partien gibt, in denen lange Bälle behauptet werden müssen. "Ich bin für beides da", so der Stürmer weiter, der in Straßburg den Spitznamen "Vulkanbomber" bekam. "In Réunion gibt es einen Vulkan und nach der Saison, in der ich für Racing so viele Tore geschossen habe, hat man mir den Spitznamen gegeben, weil ich die Fans quasi entflammt habe", klärt Ajorque über den Ursprung des Spitznamens auf.
Vom Vater gelernt
Der Fußball liegt bei Ajorque durchaus in der Familie. Schon sein Vater spielte einst für Lens, beendete seine aktive Karriere aber mit der Geburt seines Sohnes und zog nach Réunion zurück. Als ehemaliger Verteidiger habe er dem Stürmer viel mitgeben können. "Er konnte mir Tipps geben, was es als Stürmer braucht, auch wenn ich das als Kind nicht immer hören wollte", schmunzelt der 28-Jährige und ergänzt. "Mit dem Alter ist es aber besser geworden. Auch heute tauschen wir uns nach Spielen noch aus und sprechen regelmäßig über meine Leistungen."
Seine Frau und sein Sohn pendeln aktuell noch aus Straßburg nach Mainz, der Dreijährige gehe in Frankreich in die Vorschule. "Sobald ich hier eine feste Wohnung habe, kommen sie natürlich nach", berichtet Ajorque.
Wichtiges Heimspiel gegen Augsburg
Nach der ersten "normalen" Trainingswoche ohne Pflichtspiel geht es am Samstag (15.30 Uhr, hier gibt es Tickets) mit dem Fastnachtspieltag gegen den FC Augsburg weiter. Dieser sei, auch tabellarisch gesehen, sehr wichtig, vergleichbar mit der Partie gegen Bochum, weiß Ajorque. "Wir wollen unbedingt gewinnen, um auf Distanz zu bleiben. Dafür müssen wir unter der Woche gut arbeiten", kennt der Franzose die Bedeutung der kommenden Partie.