Profis 08.01.2017 - 21:04 Uhr

Mehr als nur Massagen

Physiotherapie als Dreh- und Angelpunkt

Sie stehen kaum im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, doch ohne sie würde bei kaum einem Bundesligisten etwas laufen: Die Physiotherapeuten leisten von früh morgens bis spät abends harte Arbeit dafür, dass die Profis schmerzfrei für den Sieg trainieren können. Wir haben für die Rubrik „Trainingslager hinter den Kulissen“ mal im Behandlungsraum vorbeigeschaut und mit unseren Physiotherapeuten Christopher Rohrbeck, Stefan Stüwe und Steffen Tröster über ihren Job geplaudert.

Dem aufmerksamen Fan seid ihr alle bekannt – man sieht euch immer am Rand des Spielfelds oder Trainingsplatzes, und ihr seid es, die gemeinsam mit den Ärzten lossprinten, wenn jemand mit Schmerzen am Boden liegt. Aber euer Tag ist viel länger als nur die Einheiten, richtig?

Stefan Stüwe: „Wir stehen um 6:30 Uhr auf, denn die ersten Spieler kommen schon um 8 Uhr zur Behandlung. Da checken wir, ob sie trainieren können oder nicht. Da fällt dann quasi der Startschuss für die physiotherapeutische Arbeit, und Feierabend ist meist erst zur Bettruhe um 22 Uhr.“

Wer legt den fest, wer bei euch vorstellig werden muss? Die Spieler selbst?

Christopher Rohrbeck: „Das wird vom Ärzteteam und von uns eingeteilt.“

Ein solcher Fall ist Jairo, der sich hier in Marbella am Fuß verletzt hat. Die Ärzte haben im Interview bereits erzählt, dass eure Arbeit maßgeblich dafür ist, dass er schnell wieder trainieren kann. Was für Anwendungen macht ihr in so einem Fall?

Stefan Stüwe: „Das hängt immer auch ein bisschen davon ab, bei welchem Therapeuten er ist, denn jeder hat andere Methoden. Aber in seinem Fall steht die Lymphdrainage im Fokus, um eine Abschwellung zu fördern.“

Christopher Rohrbeck: „Genau, einerseits Abschwellung und andererseits natürlich auch Schmerzreduzierung. Und die Manipulation des Fußes, um die Beweglichkeit wiederherzustellen.“

Was genau heißt das, Manipulation?

Christopher Rohrbeck: „Einrenken, also eine manuelle Therapie. Und es gibt passive therapeutische Behandlungsmöglichkeiten wie beispielsweise die Magnetfeldtherapie. Dazu muss er auch Fahrrad fahren und in den Pool gehen, um den Heilungsfortschritt aktiv zu steuern.“

Ihr habt eben erwähnt, dass die Art der Therapie auch vom Therapeuten abhängig ist. Was sind denn jeweils eure Spezialgebiete?

Christopher Rohrbeck: „Ich bin Osteopath und Heilpraktiker, also im Prinzip eher Statik, Einrenken, gucken, dass alles da in Ordnung ist.“

Steffen Tröster: „Ostheopathie ist auch mein Spezialgebiet, und die Stoßwellentherapie. Weiterhin kümmere ich mich um die Durchlässigkeit von Jugendphysios zu Profiphysioabteilung. Wenn wir was machen, seien es Fortbildungen oder sonstiges, sollen alle im Verein davon profitieren.“

Stefan Stüwe: „Ich bin unter anderem in traditioneller chinesischer Medizin geschult und darin, die Körpermeridiane wieder in Schwung und ins Gleichgewicht zu bringen. Und Akkupunktur im Ohr, sowie passive und manuelle Faszientechniken. Eine Faszie ist eine Hülle um jegliches Gewebe im Körper, quasi die Haut der Nerven oder Muskeln. Über sie kann man passiv und manuell Einfluss auf die Struktur nehmen, um die Statik des Körpers zu verbessern.“

Das klingt alles ziemlich umfangreich! Die meisten gehen sicher davon aus, dass die Jungs lediglich Massagen bekommen.

Stefan Stüwe: „Früher war das auch mal so, aber da hat sich viel getan in den letzten Jahren.“

Wie hat sich die Physiotherapie im Profifußballbereich im letzten Jahrzehnt entwickelt?

Stefan Stüwe: „Hauptsächlich hat es sich dahingehend geändert, dass die Prävention im Vordergrund steht. Nach schwerer Belastung im Training oder Spiel bekommt der eine oder andere natürlich auch eine Massage, aber die Hauptaufgabe besteht für uns in den präventiven Maßnahmen.“

Also mit anderen Worten steht bei euch weniger die Verletzungsbehandlung im Fokus, sondern die Verletzungsvermeidung?

Stefan Stüwe: „Die höchste Maxime ist für uns, dass der Spieler trainieren und spielen kann.“

Christopher Rohrbeck: „Früher war es so, dass der Spieler erst zu uns gekommen ist, wenn er nicht mehr trainingsfähig war, sprich akute Schmerzen oder eine Verletzung bestanden. Heute ist es so, dass sie schon bei den ersten Anzeichen von Unwohlsein im Muskel oder Gelenk zu uns kommen, um die Trainingsfähigkeit zu erhalten. Das ist der größte Unterschied.“

Kommt denn jeder Spieler jeden Tag bei euch vorbei?

Stefan Stüwe: „Im Trainingslager kommen sie häufiger, da hier einfach mehr Zeit ist. Ansonsten kommt es immer darauf an, was für ein Typ der Spieler ist – manche kommen häufiger, wenn auch nur für Massagen, anderen wiederum mögen das einfach nicht.“

Gibt es denn Jungs mit speziellen Marotten?

Christopher Rohrbeck: „Jeder hat seine Eigenheiten und Marotten. Aber dass irgendwas aus dem Rahmen fällt, ist mittlerweile nicht mehr so. Früher war das schon anders, da waren mehr Chaoten dabei. Heute gucken die Trainer mehr drauf, dass solche gar nicht erst kommen.“

Ihr seid alle drei schon lange bei Mainz 05 im Geschäft, Chris und Stefan sind schon seit 14 bzw. fast 10 Jahren bei Mainz 05, Trösti seit fast 5 Jahren. Wie seid ihr eigentlich damals darauf gekommen, Physiotherapeut bei einem Fußballverein zu werden?

Stefan Stüwe: „Ich wollte eigentlich Polizist werden – da hätte ich für Recht und Ordnung gesorgt und ich glaube da hätte ich mich auch sehr wohlgefühlt.“

Jetzt sorgst du für Recht und Ordnung in den Faszien.

Stefan Stüwe (lacht): „Genau.“

Christopher Rohrbeck: „Ich wusste nach dem Abi ehrlich gesagt gar nicht, was ich machen wollte. Es musste halt auch etwas sein, was mit meinem Notenschnitt möglich war (lacht).“

Steffen Tröster: „Als Physiotherapeut ist es natürlich superspannend, im Profisportbereich zu arbeiten. Ich bin da buchstäblich auf einer Weltreise hineingerutscht.“

Wie bitte?

Steffen Tröster: „Ich bin in Thailand beim Bier mit einem Deutschen ins Gespräch gekommen. Es war Horst Schmidbauer, der früher bei 1860 gespielt, und dann in den Jugendinternaten der Löwen und auch von Unterhaching gearbeitet hat. Wir haben lose über Praktika bei Profivereinen gesprochen und E-Mails ausgetauscht, aber ich dachte, das wird sich eh im Sande verlaufen. Aber wir sind in Kontakt geblieben und er hat mich in ein dreiwöchiges Praktikum in der Jugendabteilung des FC Bayern München vermittelt, wo ich damals noch unter Herrmann Gerland gearbeitet habe. Der Zufall hat es gewollt, dass im Anschluss daran gerade eine Stelle frei war und da haben sie mich geholt. Bei Mainz 05 habe ich mich initiativ beworben und freue mich, Teil dieses coolen Teams zu sein.“