Orientierungshilfe brauchen Auswärtsfans heutzutage natürlich nicht mehr. Die Grüppchen an Fans von Zrinskij Mostar, die am Donnerstagnachmittag durch die Mainzer Straßen ziehen, haben stets einen Vorläufer mit Smartphone in der Hand an der Spitze. Ziel der Navigations-App ist das Eisgrubbräu. Das Lokal hatte sich bislang als Treffpunkt für Auswärtsfans bei internationalen Spielen etabliert. Tatsächlich gibt es in unserer Stadt außerhalb der Sommermonate gar nicht so viele Lokalitäten, die eine Menge an trinkfreudigen Menschen aufnehmen können, wie sie sich hier bereits kurz nach 14 Uhr versammelt hat. Das Bier kriegt jeder Fan auch mit geringsten Sprachkenntnissen bestellt, es schmeckt offenkundig. Viel Hilfe ist da nicht vonnöten. Zwei Mainzer Fanbotschafter schauen trotzdem mal vorbei, bieten Hilfe an und enden dann im netten Smalltalk. Eine gute Möglichkeit, das Eis zu brechen, bieten natürlich die gemeinsamen Farben Rot und Weiß und vor allem das auch von Mostar mit Stolz präsentierte Gründungsjahr 1905, das auf den Schals groß zu lesen ist.
Vor dem Eisgrub spielt sich das ab, was später während der ersten Halbzeit in einem Spruchband im Zrinskij-Block recht poetisch zum Ausdruck gebracht wird: "Ich werde wieder im Rondo sein, meinen Klapa in Zrinskij treffen und ein kaltes Getränk genießen, denn mein Herz schlägt in Mostar“ heißt es ungefähr in der Übersetzung. Der Rondo ist offenkundig ein beliebter Treffpunkt in Mostar, heute nehmen das Eisgrub und unsere MEWA ARENA diese Funktion ein. Menschen aus ganz Europa mit Wurzeln in Mostar treffen sich. Gefühlt spricht mindestens jeder zweite gut bis perfekt Deutsch, viele mit schwäbischem Einschlag. Viele aus der großen Community an Kroaten aus dem Raum Stuttgart, fühlen sich mit Zrinskij verbunden und reisten deshalb zum Spiel nach Mainz, um Verwandtschaft oder Freunde zu treffen, die aus der Heimat oder einem anderen Flecken zwischen Zagreb, Essen, Düsseldorf, Linz oder Wien angereist sind. In Mainz spielt sich ein riesengroßes Familientreffen ab. Und genau so ist die Stimmung: friedlich, fröhlich, entspannt und auch offen für Smalltalk mit den Fanbotschaftern und Fanbotschafterinnen – die Mode, dass durchweg schwarze Jacken vornehmlich eines Herstellers getragen werden und der dadurch entstehende, etwas martialische Eindruck stimmen nicht im Ansatz mit der Atmosphäre überein. Die allermeisten tragen unter der "Uniform“ das aus Mostar mitgebrachte Mottoshirt für die Conference-League-Tour, ein hübsch anzusehendes Hemd mit den Buchtaben HŠKZ drauf und auf der Rückseite dem ersten Tourdatum 23. Oktober in Mainz. Ein schon lange in Düsseldorf lebender Mostar-Fan erklärt es uns mit den Worten: "Ich bin mit den Jungs schon öfter in Europa unterwegs gewesen. Die sind immer gut drauf und völlig harmlos.“

Die Idee, 05-Fanbotschafter auf die Straßen zu schicken, wurde in der Fanabteilung entwickelt, um bei den Europokalspielen die Gästefans in der Stadt willkommen zu heißen. Beispielsweise bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr initiierte die KOS, die Koordinationstelle der Fanprojekte in Deutschland, Fanbotschaften in den Spielorten, die einen ähnlichen Gedanken verfolgen allerdings mit einer festen Anlaufstelle. Zehn Fanbotschafterinnen und Fanbotschafter sowie die vier Nachwuchskräfte Lena, Samira, Leon und Jeremias sind dem Aufruf gefolgt, treffen sich um 14 Uhr am Fanshop in der Innenstadt und ziehen in Zweier- bis Viererteams los: Ran an den Gegner, in komplett kooperativer Absicht. Die Fans des in der ersten bosnischen Liga spielenden Kroatischen Sportklubs Zrinskij Mostar (so die Übersetzung des Kürzels HŠK) finden es meist gut, dass es die Initiative gibt, selbst wenn sie gar keine Botschafterdienste in Anspruch nehmen müssen. Der ein oder andere, besonders wenn man sie oder ihn am Hauptbahnhof anspricht, nimmt dennoch Stadtplan und Infobroschüre über unsere Stadt entgegen, blättert immerhin ein wenig darin, wird sich am Ende aber dann vermutlich doch eher für das nächste Bier und den nächsten Austausch unter Freunden entscheiden statt für den Stadtrundgang.
So etwas ähnliches hatte am Vormittag immerhin ihre Mannschaft unternommen: Der Kader war geschlossen in der kroatischen katholischen Pfarrei, untergebracht in St. Emmeran, zu einem Gottesdienst versammelt, wie zwei Fanbotschafter bei einem kurzen Abstecher in die Emmeransstraße erfahren. Dort sind zwar zu diesem Zeitpunkt gar keine Kroaten oder bosnischen Kroaten zu sehen, aber ein netter Herr der italienischen Nachbargemeinde, die sich mit den Kroaten die Kirche teilt, berichtet vom Besuch am Vormittag.
Europapokalnächte sollen zum Austausch dienen
Nur wenigen Mostar-Fans ist die Verbindung zwischen Mainz und den Kroaten, beurkundet auch in der Städtepartnerschaft mit Zagreb, nicht bewusst. Aber sie nehmen es interessiert zur Kenntnis und freuen sich, dass sie in Mainz so freundlich willkommen geheißen worden seien. Das betonen vor allem auch Fans, die bereits am Vorabend in Mainz ankamen. Sie berichten von einem tollen Eindruck der Stadt und großer Freundlichkeit beispielsweise in der "Andau“, es habe nirgends Vorbehalte gegen die Fans vom Gegner gegeben. So soll es sein bei Europapokalnächten, die auch zum Austausch der Menschen aus verschiedenen Teilen des Kontinents beitragen sollen.
In der MEWA ARENA präsentieren sich die Fans später als stimmgewaltiger Mob, ein wenig Pyro muss auch bei ihnen sein. Aber es überwiegt der Stolz und die Freude, die eigene Mannschaft begleiten zu können bis nach Deutschland. Selbst die Niederlage tut dem keinen Abbruch. Gerade die Fanbotschafterinnen und Fanbotschafter bedauern derweil, dass es im neuen Conference-League-Modus kein Rückspiel geben wird. Die Gespräche und die Erzählungen der Gäste haben Neugier geweckt auf ihre Stadt und eine abermalige Begegnung mit ihren Menschen. So bleibt das Hoffen auf die K.o.-Runde. Dann könnten sich Mainz 05 und Mostar abermals begegnen.
