Profis 29.12.2016 - 14:00 Uhr
Stresstest bestanden - Spektakel geliefert
05er trotzen Dreifachbelastung und schaffen gute Ausgangslage für das Jahr 2017
Würden die Profis der 05er der Dreifachbelastung, bestehend aus Bundesliga, Europa League & DFB-Pokal standhalten? Eine Frage, die vor Saisonbeginn allgegenwärtig war. Immerhin gab es aus den vergangenen Jahren hinreichend Beispiele von Mannschaften, bei denen das internationale Abenteuer zu Lasten der Punkteausbeute in der heimischen Liga gegangen war oder gar zum Abstiegskampf geführt hatte. Nur drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit: Eintracht Frankfurt (14 Punkte nach 16 Spieltagen) und der SC Freiburg (11) taten sich in der Saison 2013/2014 ebenso wie der FC Augsburg in der vergangenen Saison deutlich schwerer, die Auftritte auf der internationalen Bühne in Einklang zu bringen mit dem Tagesgeschäft Bundesliga als die 05er in dieser Saison. 20 Zähler stehen vor dem Jahreswechsel auf Seiten des FSV zu Buche. Eine überaus solide Bilanz angesichts der kräftezehrenden Wochen, die die Mainzer Profis zwischen August und Dezember zu überstehen hatten. 16 Partien in der Liga, sechs in der Europa League sowie zwei weitere Spiele im DFB-Pokal waren innerhalb von vier Monaten zu absolvieren. Hinzu kamen drei Länderspielpausen mit zusätzlichen Einsatzzeiten für zahlreiche Mainzer Profis.
Ungeachtet der Tatsache, dass laut 05-Trainer Martin Schmidt gar "fünf bis sechs Punkte mehr" hätten herausspringen können, ist man am Bruchweg alles andere als unzufrieden mit der Bilanz, wenn auch bislang vier Zähler weniger herausgesprungen sind als noch zum Vergleichszeitpunkt vor Jahresfrist. Dass vor Weihnachten nicht mehr Zähler hinzu gekommen sind, hat viel mit zwei Phänomenen der laufenden Spielzeit zu tun: Zum einen ist da der Fluch der frühen Führung, der den Mainzern aktuell anhaftet, nachdem in der Bundesliga bereits vier Mal und in der Europa League zwei Mal eine eigene Führung nicht zu drei rot-weißen Punkten ausreichte - eine verspielte 1:0-Führung bei Zweitligist Greuther Fürth führte gar zum bitteren Ausscheiden aus dem nationalen Pokal-Wettbewerb. Zum anderen ist da die Gegentorflut, begünstigt durch individuelle Fehler und nicht zuletzt auch häufig mangelhafte Abstimmung, die in der Hinrunde mit den von Schmidt regelmäßig vorgenommenen Rotationsmaßnahmen leicht erklärbar sind. Nur der Hamburger SV (21) und Werder Bremen (34) haben bislang häufiger Gegentore hinnehmen müssen als die 05er (30).
Torhunger & Spektakel
In Anbetracht dessen ist die schlussendliche Ausbeute vor der kurzen Winterpause umso erstaunlicher. Nicht zuletzt dem Torhunger der 05er, die über die fünftbeste Offensivabteilung der Bundesliga verfügen, sei Dank. Insgesamt zehn Torschützen durften an den ersten 16 Spieltagen 26 Tore bejubeln, was eine der Stärken der 05er, die in Stefan Bell zudem über einen der torgefährlichsten Innenverteidiger verfügen (3 Treffer), unterstreicht, nämlich ihre Unausrechenbarkeit. Begegnungen mit FSV-Beteiligung garantieren im bisherigen zudem in schöner Regelmäßigkeit für Spektakel. 56 Tore kommen bislang zusammen, womit der Torumsatz (sprich die Summer aller gefallenen Tore) aktuell höher ausfällt als bei jedem anderen Klub. Fielen in der laufenden Saison in 144 Spielen bislang durchschnittlich 2,71 Tore pro Partie, waren es bei den Spielen der 05er 3,5.
In Erinnerung ruft diese Statistik nicht zuletzt das spektakuläre wie am Ende gleichfalls enttäuschende 4:4 gegen 1899 Hoffenheim am 2. Spieltag, als der FSV eine 4:1-Pausenführung nicht über die Zeit bringen konnte, ebenso wie das enorm wichtige 4:2 gegen den SC Freiburg im heißen Herbst. Unabhängig vom Torreigen: Nichts für schwache Nerven war auch der 2:1-Sieg bei Werder Bremen am 4. Spieltag, als Yunus Malli und Pablo De Blasis einen Rückstand in den Schlussminuten in drei Punkte ummünzen konnten. Tiefschläge blieben zwar nicht aus. In den Spielen auf Schalke (0:3) sowie bei Aufsteiger RB Leipzig (1:3) waren die 05er, jeweils drei Tage nach internationalen Auftritten weitestgehend chancenlos. Wichtige Spiele gegen Teams aus dem Tabellenkeller wie Ingolstadt (2:0), Darmstadt (2:1), Augsburg (3:1) oder den HSV (3:1) konnten aber gewonnen werden, so dass die Mainzer den unteren Tabellenregionen bislang fernbleiben.
Weniger Rotation, mehr Automatismen
Unter dem Strich kann festgehalten werden, dass es Rouven Schröder als Nachfolger von Christian Heidel und Trainer Martin Schmidt gelungen ist, im Sommer erneut einen qualitativ wie auch quantitativ hochwertigen Kader zusammenzustellen, der jung, hungrig und lernwillig ist. Da in der Rückrunde davon auszugehen ist, dass die 05er weniger rotieren und somit noch mehr Automatismen in die taktischen Abläufe integrieren werden können, darf man am Bruchweg - bei aller Enttäuschung über das Aus in Europa League und DFB-Pokal - durchaus hoffnungsvoll auf das Jahr 2017 blicken, in dem die Profis in der Bundesliga angreifen und sich in der oberen Tabellenhälfte etablieren wollen. Insbesondere auf zentralen Positionen in der Innenverteidigung sowie im defensiven Mittelfeld hat Schmidt bereits angekündigt, weitestgehend auf Experimente verzichten und auf eingespielte Formationen setzen zu wollen. Dies werde im neuen Jahr auch der Defensive insgesamt mehr Stabilität verleihen. Als Stresstest wurde die Zusatzbelastung häufig bezeichnet. Als bestanden darf er gewertet werden, und das trotz aller freiwilligen - also der Belastungen geschuldeten - wie auch unfreiwilliger Umstellungen - aufgrund zahlreicher Verletzungen bzw. Sperren.
Dank der geschaffenen Ausgangslage, verbunden mit weniger Spielen, mehr Konkurrenzkampf sowie der Aussicht auf eine weitestgehend eingespielte Startelf stehen die Chancen nicht schlecht, auch am Saisonende wieder an der im letzten Jahr erreichten 50-Punkte-Marke zu kratzen. Das Erreichen des vom Trainerteam regelmäßig angestrebten 1,5-Punkte-Schnitts pro Partie in den verbleibenden 18 Liga-Spielen vorausgesetzt, stünden nach 34 Spieltagen 47 Punkte auf dem Konto der 05er. Eine Bilanz, mit der man am Rhein wohl mehr als leben könnte.