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Profis 18.08.2022 - 09:00 Uhr

Schmidt: Dann würde ich von "Derbycharakter" sprechen

Der heutige 05-Sportdirektor trainierte nach dem FSV auch den kommenden Gegner aus Augsburg. Nun blickt er zurück auf seine positive Bilanz gegen den FCA & spricht über die Rivalität zwischen den Klubs.

Der letzte Auswärtssieg von Mainz 05 in Augsburg am 18. September 2016: Freude beim damaligen Cheftrainer Martin Schmidt.

Wenn es darum geht, über ein Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 beim FC Augsburg zu reden, kann eigentlich nur der Sportdirektor als Gesprächspartner infrage kommen. Nicht nur, weil Martin Schmidt als Cheftrainer der Augsburger seinem jetzigen Klub einmal eine bittere Auswärtsniederlage verpasst hat, sondern, weil Martin Schmidt der einzige 05-Trainer war und ist, der zweimal in Augsburg gewonnen hat. Das erste Mal im März 2015 mit 2:0, ein Jahr später gelang dem heute 55-Jährigen ein 3:1-Erfolg in Augsburg. Bis heute der letzte Mainzer Auswärtssieg in der WWK Arena. Seitdem kassierten die Mainzer sechs Bundesliga-Niederlage und eine Pokal-Schlappe bei den bayerischen Schwaben.

Wichtiges Zeichen im Abstiegskampf

"Ich hatte mit Mainz gegen Augsburg wirklich eine sehr gute Quote als Trainer", sagt der 05-Sportdirektor. Schmidt hatte im Februar 2015 Kasper Hjulmand, den heutigen Trainer der dänischen Nationalmannschaft, als Chefoach abgelöst und fuhr in seinem vierten Spiel als Chefcoach - im Übrigen mit einem gewissen Bo Svensson als Co-Trainer - zum Auswärtsspiel nach Augsburg. "Wir waren tief im Abstiegskampf, das war ein großer Sieg", sagt Schmidt rückblickend. "Das sind sie, diese Momente, die im Abstiegskampf so guttun, eine deutliche Entlastung der Situation bewirken und eine klare Botschaft an die Konkurrenz aussenden."

Der FSV hat seinerzeit am 25. Spieltag einen solchen besonderen Augenblick geschaffen: "Die Mannschaft von Martin Schmidt feierte einen kapitalen 2:0-Sieg beim so heimstarken FC Augsburg und verbesserte dank einer äußerst geschlossenen Mannschaftsleistung, überragender Defensive sowie den Treffern von Shinji Okazaki und Ja-Cheol Koo sein Punktekonto auf 29 Zähler", schrieb die '05-Mixed-zone' damals nach der Partie. Und: "Martin Schmidt war sehr zufrieden. Natürlich wegen des Erfolges, aber auch damit, dass der pragmatische Ansatz, den der Trainer mit seinem Team in Augsburg gewählt hatte, komplett aufgegangen war."

Mainzer Tugenden gefragt

An der Herangehensweise, auf die es im Augsburger Stadion ankomme, habe sich bis heute wenig geändert. "Ich habe als Mainzer Trainer positive Erlebnisse dort gehabt und weiß, dass es immer ein Spiel mit einer ganz besonderen Brisanz ist, das eine besondere Herangehensweise braucht, in dem manchmal auch taktische Inhalte zweitrangig sein können. Da sind Tugenden gefragt, die Mainz 05 ausmachen, und die müssen dort einfach an den Tag gelegt werden. Weil man dort immer auf einen Mitstreiter trifft, der mit ähnlichen Mitteln kämpft", erklärt Schmidt. 

Neue Perspektive: Mittlerweile verfolgt der Ex-Trainer die Partien des FSV von der Tribüne aus. (Copyright: IMAGO / HJS)

Am Samstag reist nun Bo Svensson als Cheftrainer mit seinem Team am dritten Spieltag der neuen Saison nach Augsburg. Eine schöne Parallele - denn es war am dritten Spieltag der Saison 2016/17, als die Mainzer dort den bislang letzten Auswärtssieg (3:1) feiern konnten. "Es war ein Augsburg, das bestückt war mit Top-Spielern", erinnert sich Schmidt. "Sie hatten eine Spielanlage, die sehr schwer zu verteidigen war mit ihren drei Stürmern: Finnbogason zentral, links Dong-Won Ji, ganz rechts Bobadilla. Mit Baier im Zentrum, mit Ja-Cheol koo und natürlich Dominik Kohr. Eine Mannschaft mit hoher Qualität. Wir hatten einen guten Start dort, und unsere Herangehensweise war klar. Zuerst mussten wir das verteidigen. Unsere Spielanlage war sehr kompakt im Mittelfeld-Pressing, um dann mit schnellem Umschaltspiel zu Toren zu kommen. Das haben wir früh geschafft durch Jhon Cordoba, haben die spielstarke FCA-Mannschaft ausgekontert und hinten raus dann niedergekämpft."

Yunus Malli und Yoshinori Muto machten in der Schlussphase alles klar. Ein Schlüssel für diesen Erfolg war das 05-Spiel gegen den Ball. Die Mainzer hielten die Gastgeber über weite Strecken komplett vom eigenen Sechzehner weg, zwangen sie zu Distanzschüssen, Stefan Bell und Leon Balogun verteidigten dabei aggressiv und mit viel Übersicht nach vorne. Zusammen mit dem Duo vor der Abwehr, mit den starken Fabian Frei und Jean-Philippe Gbamin, die läuferisch, kämpferisch und mit gutem Aufbauspiel in den eigenen Offensivaktionen überzeugten, zogen die Mainzer ein Defensivgeflecht auf, durch das der FCA selten durchkam.

Wiedersehen am Wochenende & Parallelen

"Es ist eine schöne Geschichte, dass wir jetzt mit Kohr dahin gehen, dass Koo bei uns war, dass Ji hier war. Und jetzt ist auch noch Julian Baumgartlinger (Anm. d. Red.: Der Ex-05-Kapitän wurde in dieser Woche als Augsburger Neuzugang präsentiert) dorthin gewechselt. Es wird ein Tag des Wiedersehens“, glaubt Schmidt, der allerdings auch weiß, was die Mainzer sportlich erwartet. "Sie haben mit dem Sieg in Leverkusen einen Fehlstart abgewendet. Ich denke, wir werden auf eine mutige, vor Kraft strotzende Mannschaft treffen, kampfstark und durch diesen Erfolg beflügelt. Es könnte ein richtungsweisendes Spiel fürs erste Viertel der Saison sein." Man dürfe in Augsburg nie ins offene Messer laufen. Das sei aber in den vergangenen Jahren leider zu oft passiert. "Zu naiv und zu offenherzig dahin gehen, ist das falsche Rezept. Man braucht eine spezielle Herangehensweise. Und wir haben sie, glaube ich, bei den beiden letzten Auswärtssiegen dort ganz gut getroffen", sagt Schmidt.

Die Gründe für die vielen umkämpften Duelle und die Rivalität zwischen den Klubs, erklärt Schmidt wie folgt: "Weil Augsburg und Mainz einen sehr ähnlichen Weg gegangen sind und gehen. Viele Jahre zweite Liga. Stetig gewachsen. Beide gehörten wirtschaftlich immer zu den Kleineren, vom Herz und Mut her immer zu den Größeren. Man ist in der Bundesliga etabliert, aber nicht durch Geld hochgekommen. Beide Vereine haben den Weg der harten Arbeit genommen, sich alles verdienen müssen. Von der Historie sind sich beide ähnlich, mussten sich immer gegen die Großen behaupten durch Kampf, Wille und Knowhow. Und beide krallen sich seit vielen Jahren in der Bundesliga fest. Wenn wir näher beieinander lägen, dann würde ich sagen: Das Spiel hat jedes Mal einen Derbycharakter. Ich war da, habe mitten in der Stadt, wie auch in Mainz einen Steinwurf vom Dom entfernt, gewohnt. Daher kenne ich beide Verhältnisse und glaube, der intensive Konkurrenzkampf kommt daher, dass beide stets mit hochgekrempelten Ärmeln losmarschiert sind, nicht klein beigegeben haben und so weiter", erklärt Schmidt.

Lange Jahre Trainer, jetzt Sportdirektor, wo sieht der 55-Jährige den Unterschied? "Der Trainerjob ist viel emotionaler, aber auch das Daily Business und der Druck sind viel größer. In meinem jetzigen Job ist das Planerische, Strategische und Organisatorische wichtiger geworden. Als Trainer ist immer das nächste Spiel das allerwichtigste. Ich mache beides mit Herzblut und Leidenschaft. Jetzt ist es weniger vom Wochenend-Resultat abhängig, sondern mit Blick in die Zukunft. Das passt auch sehr gut zu meinen charakteristischen Stärken, wenn man so sagen will. Im Moment bin ich Sportdirektor mit Leib und Seele, will mich da verbessern. Das ist nirgendwo einfacher als hier in Mainz. Das habe ich als Trainer erlebt, jetzt als Sportdirektor. Und deshalb habe ich auch noch große Ziele."