Profis 16.05.2016 - 12:02 Uhr

Perfektes Timing

Am letzten Spieltag hat für Mainz 05 alles gepasst/der Blick geht nach vorne

Dieser Tag hat einen festen Platz in den Geschichtsbüchern des 1. FSV Mainz 05 verdient. Durch das Hertha BSC in einem Abwehrkampf abgerungenen 0:0 hat sich der Verein am Samstag erstmals in seiner Geschichte als Tabellensechster für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert. Doch nicht allein dieser größte Erfolg der Vereinsgeschichte sorgte für überwältigende Gefühle in der Coface Arena. Die Abschiede von Elkin Soto und Manager Christian Heidel wurden von Verein und Fans im Stadion emotional gefeiert.

Elkin Soto gab gegen die Hertha nach mehr als einjähriger Verletzungspause ein Comeback von wenigen Sekunden. Körperlich gesundet, aber noch lange nicht in wettkampffähiger Verfassung. Allein der Moment seiner Einwechslung sorgte für Mega-Gänsehaut. Unter rationalen Gesichtspunkten hätte Trainer Martin Schmidt den ebenfalls zur Einwechslung bereit stehenden Leon Balogun bringen müssen, um der Lufthoheit der auf den Siegtreffer drängenden Berliner zu begegnen. Der Schweizer zog für die letzte halbe Minute Spielzeit aber die große Geste vor. „Ich habe nur gedacht, wenn es Gerechtigkeit gibt, dann passiert jetzt nichts mehr“, beschrieb Schmidt sein Dilemma in der Entscheidung zwischen Vernunft und Emotion.

Nicht weniger tränenreich der Abschied von Manager Christian Heidel. Wie verabschiedet man nach 24 Jahren jene Persönlichkeit, die im Verein als Kaderplaner, Trainerentdecker und Stadionentwickler alle wichtigen Entscheidung der Vergangenheit angeschoben hat? Mit einem passend zum Vereinsjubiläum 111 cm hohen Pokal für all jene Leistungen, für die es im Alltag üblicherweise keine Pokale gibt, nicht einmal bei sportlichen Erfolgen wie den Aufstiegen in die Bundesliga oder den vier Qualifikationen für internationale Wettbewerbe.

„Am Samstag ist so viel passiert, da muss ich die Gefühle erst einmal in Ruhe verarbeiten. Dazu bin ich noch gar nicht gekommen, ich bin noch ganz im Arbeitsmodus“, sagte Martin Schmidt, der trotz spätabendlicher Vereinsfeier im Favorite Parkhotel bereits am Sonntagmorgen wieder zum Dienst in seinem Büro im Bruchwegstadion antrat. „In den kommenden Tagen werden mich die Erinnerungen bestimmt noch einholen.“

Unbewusst gab Martin Schmidt damit bereits die neue Marschroute vor. Denn ab sofort geht der Blick des gesamten Vereins auch schon wieder nach vorne. Das betrifft einerseits den Schritt in die Zukunft mit dem neuen Sportdirektor Rouven Schröder, der bereits seit Anfang April im Hintergrund an einer reibungslosen Übernahme der Geschäfte von Manager Christian Heidel gearbeitet hat und der nun offiziell in die erste Reihe der Verantwortung tritt. Er wird am Dienstag um 11.30 Uhr vom Verein im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert (im Livestream zu sehen auf Youtube).

Das betrifft andererseits auch die konkreten Planungen für die kommende Saison. „Wir haben für den nun eingetretenen Fall der direkten Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League einen Plan für die Vorbereitung in der Hinterhand, den wir nun konkretisieren“, sagt Martin Schmidt. „Wir machen uns nun ganz konkret daran einen Gesamtplan zu erstellen, wann wir im nächsten Jahr mit den dann anstehenden vielen englischen Wochen Belastungsschwerpunkte im Training setzen können.“

Datiert haben die 05er den Trainingsauftakt auf den 29. Juni. Dann bleiben verhältnismäßig lange neun Wochen Vorbereitung, in denen der Trainer seinem Kader zwischendurch womöglich noch ein paar weitere freie Tage gönnt. Geplant sind darüber hinaus zwei Trainingslager. Mitte Juli reisen die Mainzer für eine Woche in die USA nach Colorado Springs, Ende Juli/Anfang August steht das klassische Trainingslager an, wahrscheinlich im europäischen Ausland. „Für uns ist gut, dass wir eine sehr ruhige Vorbereitung haben ohne Unterbrechung“, betont Schmidt. Das hätte bei Bundesliga-Platz sieben und der Teilnahme an der Qualifikation zur Europa League gedroht.

Personell will der Trainer auf die zu erwartende Mehrbelastung reagieren. „Stand heute haben wir einen kompletten Kader für die Bundesliga beisammen. Wir werden ihn uns unter der neuen Voraussetzung der Europa League genau anschauen, wo wir ihn anpassen können. Wir benötigen einen leistungsfähigen Kader für die Bundesliga und die Europa League“, sagt Schmidt. Der internationale Wettbewerb soll dabei nicht nur nebenher laufen. „Wir haben uns die Teilnahme hart erarbeitet und wollen uns dort beweisen. Wir stehen dabei auch in der Verantwortung der Bundesliga gegenüber in der Fünfjahreswertung. Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass künftig auch andere Vereine von der guten Position der Bundesliga profitieren können.“ Ende August werden alle Mainzer gebannt die Auslosung zur Gruppenphase der Europa League verfolgen, die Mitte September startet.

Sorgen, dass sich die Perspektive der 05er grundsätzlich verschieben könnte, müsse sich aber niemand machen. Kerngeschäft bleibe die Bundesliga. Schmidt: „Für uns geht es in der Bundesliga in der nächsten Saison um nichts anderes als den Ligaverbleib.“ Lehrreiche Beispiele für die Entwicklung bei internationalen Gelegenheitsgästen in der Europa League wie dem SC Freiburg, Eintracht Frankfurt oder dem FC Augsburg gibt es ja. Trainer Martin Schmidt wird mit klarem, analytischem Blick vorangehen, das ist schon mal eine sehr gute Voraussetzung. Selbst wenn in den nächsten Tagen die Emotionen über das Erreichte doch noch mal so richtig durchbrechen.