Profis 30.09.2013 - 15:01 Uhr

Muster einer Krise

… und wie die Nullfünfer gemeinsam wieder herausfinden

Das hätte gerade noch gefehlt. Als die Nullfünfer am Samstagabend nach der Niederlage im Berliner Olympiastadion an Gate neun am Flughafen Tegel eintrafen, um für den Rückflug nach Frankfurt einzuchecken, da drohte manchem aus der Reisegruppe der ungleich längere Heimweg im Mannschaftsbus. Der Airbus A321 war erheblich überbucht. Doch in letzter Sekunde gab es für die gesamte Reisegruppe grünes Licht. Sogar die von der Doping-Kontrolle ausgebremsten Dani Schahin und Joo-Ho Park schafften es samt Mannschaftsarzt Patrick Ingelfinger noch pünktlich zum Boarding.

Es war die vielleicht einzige positive Wendung, die dieser gebrauchte Samstag für die Mainzer bereithielt. Zuvor im Duell bei Hertha BSC fühlte es sich beim 1:3 (1:0) für die Rot-Weißen eher an, als habe sich nun alles gegen sie verschworen. Nach einer Sommer-Vorbereitung ohne Niederlage und vier Siegen in Pflichtspielen zu Saisonbeginn hat der 1. FSV Mainz 05 einen heftigen Einbruch erlitten. Fünf Pflichtspiele in Serie gingen verloren, darunter drei Heimspiele binnen elf Tagen. Ein echter Wirkungstreffer für die Mannschaft, das verdeutlichte die Partie in Berlin.

Denn dort zeigte die Mannschaft zunächst eine gute Reaktion auf die Niederlagen der vergangenen Woche. Nicolai Müllers Führungstreffer spielte den Nullfünfern, die mit aggressiver Zweikampführung und selbstbewusster Körpersprache auftraten, in die Karten. Hertha BSC fielen gegen den Mainzer Abwehrriegel in der ersten Halbzeit in Ballbesitz keine Lösungen ein. Doch die Mainzer Wehrhaftigkeit erhielt empfindliche Dämpfer und diesen dann nicht stand. Zunächst blieb Kapitän Nikolce Noveski, der kurz vor einem Platzverweis stand, zum Schutz nach dem Seitenwechsel in der Kabine. Dann versenkte Sami Allagui direkt den ersten Berliner Angriff nach der Pause im Mainzer Kasten. Die Mainzer bekamen die Partie anschließend zwar defensiv wieder in den Griff, doch die Klarheit im eigenen Spiel kehrte nicht mehr zurück. Als dann auch noch Bo Svensson mit einer Achillessehnenverletzung vom Feld musste, tappten die Mainzer mit dem völlig umformierten Abwehrblock (in dem ja auch die verletzten Niko Bungert und Julian Baumgartlinger fehlten) mit eigenen Ballverlusten in die Berliner Falle. Ein Doppelschlag fast aus dem Nichts – und die nächste Partie war flöten gegangen.

Widerstandsgeist entwickeln

Das kuriose an dieser Entwicklung: Seit Trainingsstart im Juni war diese Mannschaft eigentlich nur positive Schlagzeilen gewohnt. Binnen kürzester Zeit muss sie sich nun mit den Symptomen einer Krise herumschlagen, die sich nicht einmal angedeutet hatte. Urplötzlich steckt das Team in einem Teufelskreis aus zu vielen eingestreuten individuellen und gruppentaktischen Fehlern und einer aufkeimenden Verunsicherung. Die Quittung in Form von negativen Ergebnissen gibt es als Beschleuniger der misslichen Lage in brutaler Konsequenz quasi gratis obendrauf. Eine solche Phase, so ungewöhnlich sie sein mag, kann eine Mannschaft schon mal überfordern und aus der Bahn werfen.

Das Team absolviert derzeit einen echten Stresstest, der in dieser Form nicht vorhersehbar war und überhaupt nicht trainierbar ist. Trainer und Mannschaft müssen sich darin nun behaupten, das ist unter dem mit jedem Misserfolg wachsenden Druck der Öffentlichkeit vor allem auch eine große Herausforderung. Der nötige Perspektivwechsel ist im Verein und der Mannschaft schon vollzogen, der Fokus ist längst auf die taktischen, läuferischen und kämpferischen Basiselemente verschoben. Die Mannschaft stellt sich den Aufgaben mit großer Selbstkritik.

Was sich noch deutlicher ausprägen muss ist ein gemeinsamer Widerstandsgeist. Es geht nun nicht darum am Samstag auf dem Platz die Backen aufzublasen, Sinnlos-Grätschen auszupacken und den Arbeitseifer möglichst telegen zu inszenieren. Es geht vor allem um die gegenseitige Unterstützung innerhalb des Teams auf dem Platz und in der Kabine, die sichtbare und die für jeden Einzelnen fühlbare. So kann aus der zweifelsohne grundsätzlich guten Stimmung im Team ein wirklich belastbarer Teamgeist werden. Krisenbewältigung im Mannschaftssport funktioniert nur in der Gruppe. Das gilt auch für das Umfeld, das in Mainz schon über reichlich Krisenerfahrung verfügt, auch wenn das Gefühl in den vergangenen Jahren bedingt durch den sportlichen Erfolg vielleicht etwas verloren gegangen ist. Jetzt wäre ein guter Moment für einen demonstrativen, gemeinsamen Widerstandsgeist, Mainz 05 reloaded gewissermaßen. Dann führt der gemeinsame Weg auch wieder aus der Krise.