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Verein 29.06.2022 - 18:30 Uhr

Mertinitz: "Ausbildung war ein ganz entscheidender Faktor"

Gemeinsam mit Thomas Tuchel, André Schürrle oder Stefan Bell feierte Robin Mertinitz 2009 die Deutsche A-Junioren-Meisterschaft & hoffte auf den Sprung in die Bundesliga. Den für ihn richtigen (Lebens-)weg fand er schließlich abseits des Profifußballs - auch dank einer Ausbildung zum Industriekaufmann, die er unmittelbar nach dem Titelgewinn abschloss.

Mertinitz dreht jubelnd ab: Im Hintergrund feiern 05-Fans den 2:1-Siegtreffer über den BVB.

"Zehn bessere Spieler haben heute gegen die bessere Mannschaft verloren“, wird 05-Legende Jürgen Klopp von Christian Heidel aus dem Juni 2009 zitiert. Soeben hatte der zwei Jahre zuvor zu Borussia Dortmund abgewanderte Trainer die 1:2-Niederlage des favorisierten BVB bei der U19 des 1. FSV Mainz 05 im Bruchwegstadion von der Tribüne aus verfolgt. Teil dieses Teams, und an diesem 28. Juni 2009 ein spielentscheidender Mann, war Robin Mertinitz, der den FSV in der 68. Minute zum Sieg geschossen hatte. Im Finale um die Deutsche Meisterschaft – der bis heute größte Erfolg für das Nachwuchsleistungszentrum der Rheinhessen.

13 Jahre nach dem "Highlight meiner Laufbahn" ist der heute 32-jährige Mertinitz Familienvater und hauptberuflich als Controller tätig. Prioritäten haben sich verschoben. Der Fußball ist zum, nach wie vor geliebten, Hobby geworden, als Spielertrainer bei der SG Hochwald Zerf in der Rheinlandliga, in der er mit dem Klub aus der Nähe von Trier soeben Vizemeister geworden ist. "Es war nicht unbedingt unser Ziel, ganz oben dabei zu sein, und insofern überraschend. Leider durften wir aber aufgrund der DFB-Regularien nicht an der Relegation teilnehmen, weil wir eine Spielgemeinschaft – bestehend aus vier Dörfern – sind", erklärt Mertinitz, der den Traum vom Profifußball vor vielen Jahren ad acta gelegt hat, dem aber nicht nachtrauern mag: "Es sind ausschließlich schöne Erinnerungen, auf die man zurückblickt. Das überwiegt. Die Frage, was ich vielleicht verpasst habe, stelle ich mir nicht und trauere dem nicht hinterher, sondern bin froh, die Erfahrung gemacht zu haben. Ich habe eine Familie, ein abgeschlossenes Studium, so stellt man sich das vor."

Im Anschluss an den großen Titel mit dem FSV im Alter von gerade 19 Jahren sahen die Zukunftsvorstellungen naturgemäß anders aus. Einen "zusätzlichen Schub" habe das Erlebnis ihm gegeben, bevor er aus der Jugend zum Mainzer Regionalliga-Team stieß, für das er anschließend zwei Jahre aktiv sein sollte (43 Partien, neun Tore). "Es ging dann natürlich von vorne los, man muss sich beweisen, neu anbieten und seine Leistung Tag für Tag bringen", blickt er zurück auf den Übergang vom Junioren- in den Seniorenbereich. "Der Traum vom ganz großen Ziel war natürlich da, aber das ist kein Selbstläufer", so Mertinitz. 

Die Meisterschaft 2009 in Bildern

Entscheidung im Sommer 2011, Ausbildung als zweites Standbein

Während Teamkollege André Schürrle gleich im Folgejahr in der Bundesliga durchstartete und später unter anderem Weltmeister wurde, bewältigten den Weg in den Profibereich aus dem Meisterteam einige Zeit später auch Jan Kirchhoff, Shawn Parker, Eugen Gopko oder Stefan Bell. Für den Mittelfeldmann sollte es nicht mehr als die eine oder andere Trainingseinheit mit den Bundesliga-Profis werden. Im Sommer 2011 folgte schließlich die Erkenntnis, dass es für ganz oben voraussichtlich nicht reichen werde, wie er ohne Wehmut zugibt. "Ich war realistisch genug, um die Situation einzuschätzen. Geholfen hat mir auch mein persönliches Umfeld, das sehr bodenständig ist. Ich habe es akzeptiert und mich mit meinem weiteren sportlichen, aber auch beruflichen Weg beschäftigt."

Die Basis für Letzteres hatte er bereits während seiner Zeit im Nachwuchsleistungszentrum der 05ER schaffen können. Schließlich endete parallel zu seiner Zeit im Nachwuchs des FSV auch seine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Bilfinger Berger. "Die mündliche Abschlussprüfung musste ich kurz nach unserer Abschlussfahrt nach Mallorca ablegen", erzählt er lachend, um dann die Wichtigkeit dieses zweiten Standbeins für seine Vita zu betonen: "Beides unter einen Hut bekommen, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen und gleichzeitig auf diesem Niveau Fußball zu spielen, ließ sich wunderbar vereinbaren." Der Klub habe ihn dabei, ebenso wie das Ausbildungsunternehmen, zu jeder Zeit unterstützt. "Im Nachhinein war dieser Weg auch genau richtig und ich finde es unheimlich wichtig, dass das bei Mainz 05 weiterhin im Fokus steht. Denn wieviel Prozent der Talente schaffen es nachher? Meine Ausbildung war ein ganz entscheidender Faktor."

Die Zeit am Bruchweg und in Mainz – mit 16 Jahren war er als einer der ersten Nachwuchsspieler des FSV im Rahmen der Kooperation ins Kolpinghaus eingezogen – möchte er nicht missen, hat ausschließlich gute Erinnerungen an die fünf Jahre als 05ER. Die wichtigsten Ansprechpartner abseits des Rasens seien Stefan Hofmann und Volker Kersting ("Alles war schon damals sehr gut strukturiert") gewesen. Und auf dem Platz lernte er in der U19 den heutigen Welttrainer Thomas Tuchel kennen und schätzen, dessen Potenzial sich nach Mertinitz Einschätzung schon zu der Zeit klar abgezeichnet habe:

"Seine Kommunikation mit den Spielern ist in guter Erinnerung, er wollte jeden Einzelnen in jedem Training besser machen. Das war greifbar, jeder hatte klare Vorgaben und hat nach den Spielen Feedback bekommen. Was war gut? Was kann man besser machen im nächsten Spiel? In jeder Woche hatten wir detaillierte Videoanalysen. Das hat uns gefordert und gefördert, weil die Trainingsinhalte zudem so gestaltet waren, dass man immer wieder dazu gelernt hat, sowohl technisch als auch taktisch. Wir haben uns in der Beziehung auf einem hohen Niveau bewegt, das kann man schon sagen", sagt er rückblickend.

Erinnerungen für die Ewigkeit

Arbeit, die schlussendlich den Weg ebnete zu diesem denkwürdigen Erlebnis im Bruchwegstadion vor 11.000 Zuschauern mit Mertinitz als Siegtorschützen. Es sind Erinnerungen, die nach wie vor sehr präsent sind beim 32-Jährigen: "Es war eine coole Zeit in einer guten Mannschaft. Ganz vergisst man sowas nie. Ich erinnere mich an das volle Stadion. Ganz besonders war natürlich, dass das Spiel in Mainz stattfinden konnte vor dieser Kulisse, das war einzigartig und eine ganz große Erfahrung." Und der spielentscheidende Treffer zur Meisterschaft? "Na klar. Das hat man immer vor Augen und auch oft genug gesehen."

29.06.2022

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Europa-League-Qualifikation mit Jeunesse Esch

Nach der Mainzer Zeit sollte Mertinitz der großen Fußball-Bühne dann aber doch noch einmal ganz nah kommen. Über die Stationen Idar-Oberstein (Regionalliga), Salmrohr (Oberliga) und Pirmasens (Regionalliga) landete er 2015 in der ersten Liga Luxemburgs: Zunächst bei FC RM Hamm Benfica, ein Jahr später dann bei Jeunesse Esch, die in jenem Sommer an der Europa-League-Qualifikation teilnehmen durften. Gegen St. Patrick's Athletic aus Irland folgte nach Hin- und Rückspiel (0:1/2:1) zwar ein knappes Aus, die internationale Erfahrung sei aber dennoch ein weiteres Highlight gewesen: "Ich habe an der Hochschule in Trier nochmal drei Jahre BWL auf Bachelor studiert und abgeschlossen. In der Zeit hat es sich angeboten, in Luxemburg zu spielen und zuhause, in der Nähe von Trier, zu wohnen. Die Qualifikationsspiele mit der Reise nach Dublin und Spielen unter Flutlicht waren auch nochmal ganz besondere Erlebnisse. Es hatte einen gewissen Charme, sowas nochmal mitzuerleben."

Mainz 05 verfolgt Mertinitz heute überwiegend aus der Ferne. Der engste Kontakt besteht zu Stefan Bell und Konstantin Fring, der sich mit dem TSV SCHOTT Mainz in diesem Sommer erstmals für den DFB-Pokal qualifizieren konnte. "Sie waren auch beide bei unserer Hochzeit, und wir stehen immer mal wieder im Austausch. Wenn es zeitlich passt, fahre ich aber immer noch gerne mal in die Arena, um mir ein Spiel anzuschauen."

135 Kilometer trennen Mertinitz an seinem Arbeitsplatz in der Konzernzentrale von GLOBUS in St. Wendel, wo er als Controller tätig ist, von der MEWA ARENA. "GLOBUS war damals Hauptsponsor der U19", fällt dem ehemaligen Nachwuchstalent zum Ende des Gesprächs noch ein. Der Kreis schließt sich.