Fans 21.05.2014 - 12:40 Uhr
„Lehrreich, mahnend, intensiv“
Fanprojekt und 05er organisierten Fanreise nach Auschwitz
Am Ende bedankte sich die Reiseleiterin bei den 31 Mitgereisten aus der Mainzer Fan-Szene. Selten habe sie eine Gruppe erlebt, die so interessiert, aber auch respektvoll mit der Thematik Auschwitz umgegangen ist. Vier Tage lagen hinter den Mainzer Fans und Betreuern, in denen mit der ehemaligen Fabrik Oskar Schindlers, dem ehemaligen Ghetto in Krakau und dem Vernichtungslager Auschwitz drei Mahnmale gegen Rassenwahn und Hass besichtigt wurden. Am Ende waren sich alle einig: Trotz der bedrückenden Eindrücke haben alle viel mitgenommen aus der Fahrt.
Er musste kurz die Kopfhörer des Audio-Guides abnehmen. Zu grausam war das, was die Fremdenführerin in Auschwitz erzählte, zu furchtbar die Details des schlimmsten Verbrechens an der Menschheit. „Dass Besucher hier manchmal eine Pause brauchen, um das Gehörte und Gesehene zu verarbeiten und ein bisschen Abstand von dem Horror zu gewinnen, ist ganz normal“, berichtet die polnische Museumsangestellte, die bereits seit vielen Jahren Gruppen durch Auschwitz geleitet und von dem unvorstellbaren Leid erzählt, welches die Häftlinge jüdischen Glaubens, aber auch Sinti und Roma, politische und russische Kriegsgefangene sowie Homosexuelle und Zeugen Jehovas im zentralen Vernichtungslager der Nationalsozialisten erfahren mussten. Bereits beim Durchschreiten des Tors mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ machte sich Unbehagen breit unter den 39 Fans und Betreuern, die mit der vom Fanprojekt Mainz e. V. organisierten und vom 1. FSV Mainz 05 unterstützten Reise nach Polen zur Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte beitragen wollen.
Millionen Unschuldiger ließen ihr Leben in der durchorganisierten Mordmaschinerie der Nationalsozialisten – auch Eugen Salomon, Vereinsgründer und erster Präsident des 1. FSV Mainz 05 gehörte zu den Mordopfern. Im November 1942 wurde er in Auschwitz umgebracht. „Er starb vermutlich in einer der ersten provisorischen Gaskammern in Auschwitz-Birkenau“, erklärt die Museumsangestellte. An der Stelle, an der diese einst standen, gedachten die Fans und Betreuer Salomon und ehrten den ermordeten 05er mit dem Niederlegen eines Blumengebindes. Wie die allermeisten ist er sehr wahrscheinlich direkt nach der Ankunft am Bahnsteig ins Gas geschickt worden. Doch auch für diejenigen, die durch die Selektion zunächst verschonten wurden, begann ein Mord auf Raten. „Die durchschnittliche Lebenserwartung hier betrug nur wenige Monate, für Frauen meist noch kürzer. Wer nicht sofort ermordet wurde, wurde durch harte Zwangsarbeit, Hunger oder Krankheiten zu Grunde gerichtet.“
Insgesamt zwei Tage waren die 05-Fans und die Betreuer in Auschwitz, zwei ausführliche Führungen durch das Stammlager I sowie Auschwitz-Birkenau, ein Gespräch mit einem Pfarrer, der seit vielen Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers arbeitet und ein Workshop, bei dem das Gesehene und Gehörte verarbeitet sowie vertieft werden konnte, standen auf dem Programm. Dazu gab es am Tag direkt nach der Anreise noch verschiedene Führungen in der nahegelegenen Stadt Krakau. Besucht wurde unter anderem die ehemalige Fabrik Oskar Schindlers, in der über tausend Juden von dem mutigen Fabrikanten und seiner Frau vor dem sicheren Tod gerettet worden sind. Dazu gab es eine intensive Stadtführung durch die jüdischen Viertel und das ehemalige Ghetto in Krakau, bei der den Teilnehmern die jüdische Stadtgeschichte vor und während des Nationalsozialismus sowie die jüdische Kultur nahegebracht wurden. Rund ein Viertel der Bewohner Krakaus waren einst Menschen jüdischen Glaubens, überall in der Stadt sieht man noch Mahnmale der Verfolgung wie Reste der ehemaligen Ghettomauer, die von den mörderischen deutschen Besatzern zynisch in die Form jüdischer Grabsteine gemauert worden ist.
Aber es gibt auch Zeichen, dass die jüdische Kultur in Krakau noch lebt. In einem jüdischen Restaurant konnten die Reiseteilnehmer Spezialitäten wie Matzen-Suppe oder Latkes kosten und einem Klezmer-Musik-Konzert lauschen. Nach vier spannenden, aber auch sehr bewegenden Tagen ging es wieder nach Mainz zurück. Im Gepäck viele Erinnerungen, aber auch das Bewusstsein, dass Aufklärung dieser Art wichtig ist – sowohl um zu verdeutlichen, dass ein unabhängiges Justizsystem, religiöse Freiheit und die Unantastbarkeit der Menschenwürde unschätzbare Werte und Rechte sind, als auch zu mahnen, sich jeglicher Form von Rassismus und Diskriminierung entschieden entgegen zu stellen.
„Die Fahrt war sehr emotional, interessant, lehrreich und zugleich mahnend, wir haben viele intensive Gespräche geführt“, berichtet Carmen (23). Henning (26), der ebenfalls an der Reise teilgenommen hat, pflichtet ihr bei: „Die Reisegruppe war super zusammengestellt und das Programm sehr gut ausgearbeitet. Es wird noch einige Tage dauern, um das Erlebte zu verarbeiten. Ich bin über jede gewonnene Erfahrung sehr dankbar und würde mir wünschen, dass mehr Fans die Gelegenheit bekommen, eine solche Fahrt zu machen. Es wäre klasse, wenn diese Bildungsreise, auf der wir auch Eugen Salomon gedenken konnten, ab jetzt jedes Jahr durchgeführt werden könnte.“
Auch die Betreuer des Fanprojekts zeigten sich rundum zufrieden mit der Reise. Sabrina Maron, Organisatorin der Fanreise von Seiten des Fanprojekts: „Ich möchte mich bei allen Teilnehmern für ihr ehrliches und aufrichtiges Interesse an der Thematik und ihre ungeheure Sensibilität im Umgang damit bedanken. Ebenfalls gilt unser Dank dem 1. FSV Mainz 05, Mainz 05 hilft e. V. , dem Förderverein des Fanprojekts sowie den Stadtwerken Mainz, die diese Fahrt durch ihre finanzielle und ideelle Unterstützung überhaupt erst möglich gemacht haben.“