Profis 27.12.2016 - 14:00 Uhr

Heißer Tanz durch Europa

05er scheitern in der Europa League mit neun Punkten denkbar knapp

Winterpause in Mainz, Winterpause in der Europa League, dem Wettbewerb, der im neuen Jahr ohne den FSV fortgesetzt werden wird. Gleichzeitig Zeit zurückzublicken auf die Gruppenphase, in der der Bundesligist die Qualifikation für die erste K.o.-Runde nur hauchdünn verpasste.

Es lief die 88. Minute im ersten Europa-League-Gruppenspiel der Vereinsgeschichte des 1. FSV Mainz 05. Alles deutete nach dem Premieren-Tor durch Kapitän Niko Bungert zum 1:0 aus der 57. Minute auf den ersten Sieg im ersten Spiel gegen AS St. Étienne hin, als Kevin Theophile-Catherine einen weiten Ball in den Strafraum der Mainzer schlug, Alexander Söderlund den Ball per Kopf zu Robert Beric verlängerte und der Torjäger zum späten Ausgleich für die Franzosen abstaubte. Der Tragweite dieses Gegentreffers war sich im Lager der 05er zu diesem Zeitpunkt freilich noch niemand bewusst. Nach dem unglücklichen Ausscheiden trotz neun Punkten und nur einer Niederlage in sechs Gruppenspielen (1:6 in Anderlecht) rückte dieser folgenschwere Moment aber umso mehr in den Mittelpunkt, hatte doch ebendieser Gegentreffer ganz entscheidend zum knapp verpassten Weiterkommen des FSV beigetragen. 

Einen gleichen Verlauf der restlichen Partien vorausgesetzt, wären die Mainzer mit einem Heimsieg gegen den französischen Rekordmeister als Gruppenzweiter in die erste K.o.-Runde eingezogen und hätten Gruppensieger St. Étienne aufgrund des gewonnen direkten Vergleichs hinter sich gelassen. So rückte allen voran 05-Trainer Martin Schmidt die Bedeutung des verpassten Heimsiegs nach dem 0:0 im Rückspiel mit den Franzosen und dem feststehenden Ausscheiden nochmals in den Vordergrund. "Ich glaube, dass das Ausscheiden nicht dem Spiel heute, sondern dem späten Ausgleich im Hinspiel geschuldet ist", so Schmidt nach dem torlosen Remis in Frankreich. "Die Hypothek war zu groß, um das hier nochmal zurecht zu biegen. Es ist umso bitterer daran zu denken, was wir im Heimspiel in den Händen hatten. Wir werden unsere Lehren ziehen und die gemachten Erfahrungen mit nach Hause und in die Bundesliga nehmen", analysierte der Schweizer weiter. 

Endspiel in St. Étienne

Der Auswärtssieg in Baku gegen FK Qäbälä (3:2) hielt die Hoffnung beim Bundesligisten an Spieltag zwei zwar am Leben. Ebenso das darauffolgende zweite Unentschieden im zweiten Heimspiel gegen den RSC Anderlecht, als erneut ein über weite Strecken überzeugender Auftritt sowie eine 1:0-Führung nicht zu drei Punkten reichte. Nach dem 1:6 in Anderlecht am 4. Spieltag, als die 05er zwar auf Augenhöhe mit dem belgischen Rekordmeister agierten, aber in den letzten fünf Minuten drei bittere Gegentreffer schlucken mussten, stand fest, dass nur ein Sieg im Rückspiel in St. Étienne die Chancen aufs Weiterkommen wahren würde. Ein echtes Endspiel also, das unbedingt erfolgreich gestaltet werden musste. Da dies trotz eines weiteren starken Auftritts sowie reihenweiser guter Einschussgelegenheiten eben nicht gelang und die defensiv eingestellten Franzosen das Unentschieden über die Zeit brachten, hatte die abschließende Begegnung gegen Qäbälä vor heimischem Publikum nur noch statistischen Wert. Dank eines souveränen und ungefährdeten 2:0-Erfolgs schlossen die Mainzer die Gruppenphase am Ende immerhin mit der positiven Bilanz von zwei Siegen, drei Remis und eben nur einer Niederlage ab. Über das Ausscheiden hinwegtrösten konnte diese Tatsache schlussendlich ebenso wenig wie die, dass neun Teams in den zwölf Gruppen der Europa League mit neun oder gar weniger Punkten mindesten den zweiten Platz belegt und dadurch das Weiterkommen gefeiert hatten.

Unter dem Strich bleibt nach der Europacup-Premiere so zum einen die Erkenntnis, dass die 05er die Bundesliga sowie den Verein auf der internationalen Bühne würdig vertreten sowie ihre "Konkurrenzfähigkeit unter Beweis gestellt" haben, wie auch Sportdirektor Rouven Schröder betonte. Zum anderen boten die Duelle mit zwei routinierten Rekordmeistern, immerhin ausgestattet mit jeder Menge internationaler Erfahrung, sowie die Abenteuer-Reise ans kaspische Meer nach Baku den Anhängern der 05er Erlebnisse, von denen man am Rhein vor Jahren nicht zu träumen gewagt hätte. Schließlich war bereits die direkte Qualifikation für den Wettbewerb einer Sensation gleich gekommen. Und, Träumen sei erlaubt, bei einigen der Profis hatte die packenden Duelle, verbunden mit dem internationalen Rampenlicht, trotz des unglücklichen Ausgangs Appetit gemacht auf mehr, wie der Champions-League-erprobte Fabian Frei stellvertretend für seine Teamkollegen betonte: "Von den gemachten Erfahrungen werden wir als Mannschaft profitieren. Die internationale Kampagne hat auf jeden Fall Bock auf mehr gemacht", fasste der Schweizer Mittelfeldspieler die Gefühlslage der Profis zusammen, bei denen - bei aller Enttäuschung über das Verpassen des großen Ziels, in Europa zu Überwintern - schlussendlich der Stolz über die gezeigten Leistungen überwog. "Lehrgeld bezahlt, Erfahrung gesammelt": So lautete denn auch das einfache aber zutreffende Fazit von Martin Schmidt am Ende der internationalen Saison. In einer Gruppe mit drei Teams auf Augenhöhe hatten Kleinigkeiten den Auschlag gegeben - zum Nachteil der Mainzer. Von der Erfahrung allerdings dürfte die junge Mannschaft der 05er in Zukunft ohne Zweifel noch immensen Nutzen ziehen und in der individuellen Entwicklung jedes einzelnen Spielers sowie der des Teams den nächsten Schritt machen.