Profis 11.10.2014 - 16:30 Uhr

"Die nötige Zeit gegeben"

Niko Bungert über den Saisonstart, seine Lieblingsstadt Mainz und warum er für die Fans lebt

Enge Bande geknüpft: Niko Bungert und die Fanszene

Hallo Niko, vielen Dank, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast. Elf Punkte nach sieben Spielen – wir unterhalten uns heute in einer sehr komfortablen Situation. Dabei haben viele nach dem etwas ruckeligen Saisonstart nicht gedacht, dass es so gut weitergehen würde. Warst auch du überrascht oder hast du immer gewusst, dass es bergauf gehen würde? 

Niko: „Natürlich habe ich immer daran geglaubt, dass wir uns fangen werden, aber in welchem Maße und mit welcher Konstanz wir dann Ergebnisse eingefahren haben, war im vorhinein so nicht abzusehen. Aber gerade angesichts der anfänglichen Rückschläge ist es natürlich super, dass wir stehen wo wir stehen.“ 

Die Medienlandschaft und das Internet haben ordentlich auf die 05er draufgehauen, oft als Absteiger Nummer eins bezeichnet. Was geht einem durch den Kopf, wenn man sowas liest und hört? 

Niko: „Für uns war das keine schöne Phase, vor allem, weil wir natürlich auch selbst total enttäuscht waren. Aber es ist absolut unerlässlich, solche Nebengeräusche auszublenden und sich auf das zu fokussieren, was wichtig ist: Was haben wir gut gemacht, was schlecht? Uns war klar, dass wir nicht von Anfang an alle mit großem Hurra-Fußball überrollen werden, schon gar nicht nach dem Umbruch durch den neuen Trainer und innerhalb der Mannschaft. Aber wir haben immer an uns geglaubt und konzentriert daran gearbeitet, an den kleinen Schrauben zu drehen, und diese Taktik hat sich ausgezahlt.“ 

Hilft es dir auch, dass so schon seit 2008 bei Mainz 05 bist und somit schon einige Höhen und Tiefen erlebt hast? 

Niko: „Seit ich hier bin, hatten wir noch nie eine ganz schlimme Phase – weder damals noch am Anfang dieser Saison. Aber es gab immer mal wieder Zeiten, in denen es nicht so gut lief. In der Vergangenheit haben wir immer die Fehler analysiert und klipp und klar herausgepickt, was gerade schief läuft. Und so haben wir es auch dieses Mal getan. Man muss nicht gleich alles über Bord werfen, nur weil man ein paar Spiele nicht gewinnt. Dieses Vertrauen in eine gute Fehleranalyse habe ich hier gelernt.“ 

Du bist Vater eines kleinen Sohnes, würdest du ihm abraten Profifußballer zu werden oder ist es trotz des öffentlichen Drucks und der harten Arbeit ein Traumjob?

Niko: „Wenn es mal so kommen sollte, dass er gern Fußballprofi werden würde, würde ich ihm zuraten. Allerdings muss man klar sehen, dass sich dieser Traum nur für einen kleinen Prozentsatz von all jenen erfüllt, die ihn träumen. Es ist unerlässlich, sich ein zweites Standbein zu schaffen und nicht alles komplett auf die Karte Fußball zu setzen. Aber wenn man es schafft, gibt es wirklich keinen schöneren Beruf. Es macht einfach jeden Tag Spaß, und auch in schlechteren Phasen möchte ich ihn gegen keinen Job der Welt eintauschen.“ 

Wie kam das eigentlich damals bei dir, war dir schon immer klar, dass du mit dem Kicken deine Brötchen verdienen willst oder hat sich das ergeben?

Niko: „Das hat sich einfach ergeben. Als kleiner Junge habe ich immer unter „Berufswunsch“ Fußballprofi in die Poesiealben meiner Freunde geschrieben. Aber je älter man wird und je realistischer man das betrachtet, wird einem klar, dass nur ein unglaublich geringer Teil der kleinen Jungen mit Bundesliga-Träumen es am Ende auch packt. Ich bin ja auch erst spät zu Schalke in den absoluten Leistungsbereich gewechselt. Aber auch nach meinen ersten Einsätzen in den Profiligen hat es noch einen Moment gedauert, bis ich es dann wirklich geglaubt habe (lacht).“

Du gehörst zu den Führungsspielern, trägst seit Nikolce Noveskis Verletzung auch die Kapitänsbinde. Mainz 05 ist eine Ausbildungsmannschaft, und auch du bist als junger Spieler nach Mainz gekommen, um dich weiterzuentwickeln. Hat sich etwas verändert von deiner Zeit als „Jungspund“ zu heute? 

Niko: „Ich denke die Entwicklung geht immer mehr dahin, dass man den Leuten immer früher Vertrauen schenkt und Verantwortung aufdrückt. Meinem Empfinden nach häuft es sich immer mehr, dass Unterzwanzigjährige in der Bundesliga auflaufen. Das ist meines Erachtens auch keine schlechte Sache, wenn man früh Erfahrungen sammelt, dann reift man auch früh. Aber ein frühes Debüt muss nicht immer das Nonplusultra sein – man sollte von Fall zu Fall schauen und die Persönlichkeit des Spielers immer in Betracht ziehen. Manchmal ist es charakterlich und körperlich für Spieler doch besser, wenn man ihnen etwas mehr Zeit gibt.“ 

Im Sommer kam ein neuer Trainer – er ist im Gegensatz zu Thomas Tuchel ist Kasper Hjulmand ja eher ein ruhigerer Vertreter seiner Zunft. War die Umstellung groß? 

Niko: „Natürlich. Wenn man fünf Jahre lang einen Trainer hatte und dann jemand Neues kommt, ist das ganz logisch. Uns war klar, dass wir mit Kasper Hjulmand nicht 1-zu-1 so weitermachen werden wie bisher. Und uns war auch klar, dass man sich erst an einander gewöhnen muss, sowohl er an uns als auch wir uns an ihn. Deshalb konnten wir das auch ganz gut und reflektiert einordnen, als es am Anfang nicht sofort gut lief. Wir haben dem Ganzen einfach die nötige Zeit gegeben.“ 

Wie würdest du den neuen Spielstil am Bruchweg beschreiben? 

Niko: „Er ist in jedem Fall nichts komplett Neues. Viele Dinge haben wir auch unter Thomas Tuchel ähnlich gemacht. Kasper Hjulmand legt großen Wert auf Ballbesitz und Positionsdisziplin, und darauf, dass die Balance stimmt zwischen Offensive und Defensive. Das war bei uns am Anfang ein bisschen das Problem. Wir haben viele Tore geschossen, aber auch viele reingelassen. Das hat sich nun etwas ausbalanciert, wir werden nach vorne immer besser und halten hinten zunehmend dicht. Wir sind auf einem guten Weg – und da die Ergebnisse bislang stimmen, kann dieser nicht so falsch sein.“ 

Christian Heidel hat mit Philipp Wollscheid, Pablo De Blasis, Sami Allagui, Jonas Hofmann und Jairo noch fünf starke Last-Minute-Transfers geholt – konnte man die Verstärkung direkt merken? 

Niko: „Ja, das hat uns auf jeden Fall einen echten Schub gegeben. Nicht nur von der Qualität, die sie zweifelsohne mitbringen, sondern auch von der Stimmung. Die Jungs sind allesamt nicht nur gute Kicker, sondern sehr positiv und kommunikativ und direkt in der Mannschaft angekommen. Das gepaart mit ihrer Qualität hat uns noch mal einen Schubs in die richtige Richtung gegeben und die Köpfe freigemacht, nachdem es vorher ja etwas unrund lief.“ 

Du hast Anfang des Jahres deinen Vertrag bei den 05ern noch mal bis 2016 verlängert – was genau überzeugt dich so sehr an deinem Verein und deiner Stadt? 

Niko: „Die Stadt ist einfach toll. Wir fühlen uns hier mit unserer Familie richtig wohl, haben viele Freunde hier gefunden. Im Verein Mainz 05 kann man ganz in Ruhe arbeiten. Selbst in den größten Drucksituationen hat man immer wieder Leute hier, die einem Mut machen und gut zureden. Denen man seit Jahren vertraut. Jeder weiß, wie er seine Arbeit machen muss, ist bescheiden und nimmt sich nicht zu ernst. Das Gesamtpaket aus der Stadt, dem Verein und den Menschen hier ist einmalig in der Bundesliga.“

Du hast auch enge Bande in die Fanszene geknüpft, wie kam das und was gefällt dir an der Mainzer Szene?

 Niko: „Das hat sich im Laufe der Zeit einfach ergeben, ich habe hier viele feine Jungs kennen gelernt, die für uns viel in Kauf nehmen und ihr Leben zu großen Teilen nach dem Verein richten. Ohne diese Unterstützung und Leidenschaft kann kein Fußballer seinen Job so ausüben oder das gute Leben führen, das wir führen. Man sollte dankbar sein und etwas zurückgeben an alle, die so viel für uns machen und alles für den Verein geben.“ 

Und wie würdest du dich in diesem Jahr am liebsten bei den Fans bedanken?

Niko: „Nicht in Punktzielen oder fixen Details – sondern mit schönen Momenten, die wir zusammen im Stadion erleben können. Wir werden als Mainzer immer noch ein bisschen unterschätzt und nicht für ganz voll genommen, da ist es umso schöner, die Großen ab und an mal abwatschen zu können. Wir wollen auch weiterhin für Sensationen gut sein und mit unseren Fans schöne Fußballfeste in der Coface Arena feiern. Dafür treffen wir uns schließlich jeden zweiten Samstag.“