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Fans 16.11.2022 - 18:00 Uhr

Blindenreportage als "Win-Win-Situation"

Marko Amon organisiert seit vielen Jahren die Audioübertragung für sehbehinderte und blinde Fans - dabei kann er auf tierische Unterstützung setzen. Am vergangenen Wochenende war 05ER.tv hautnah dabei.

Seit 2006 organisiert Marko Amon die Blindenreportage beim 1. FSV Mainz 05.

Er ist bei fast jedem Heimspiel der 05ER mit dabei: Marko Amon. Seit 2006 ist er für die Organisation der Blindenreportage bei FSV-Partien, zunächst im Bruchwegstadion und heute in der MEWA ARENA, zuständig. Dabei wird blinden und sehbehinderten Zuschauern das Spiel im Stadion über einen eigens darauf ausgelegten Audiokommentar beschrieben, sodass diese neben der Atmosphäre auch das Spielgeschehen verfolgen können.

Vom Bruchwegstadion in die MEWA ARENA

Gestartet sei das Projekt auf Initiative von Michael Kammerer, Direktor Organisation bei Mainz 05, der mit der Idee einer Blindenreportage auf Amon zuging: "Ich konnte mir das zwar grundsätzlich vorstellen, hatte aber keine Ahnung, wie viele Blinde außer mir im Stadion sind", erinnert sich der FSV-Fan. Er sei bei einem halbjährigen Probelauf der einzige Nutzer gewesen, um zu überprüfen, ob eine Umsetzung möglich ist. "Als wir gesehen haben, dass es funktioniert, sind wir es in größerem Stil angegangen, haben uns eine Anlage besorgt und die Reportage für zehn Leute angeboten", so Amon weiter. Mit dem Umzug aus dem Bruchwegstadion in die MEWA ARENA wurde das Angebot dann auf 20 Personen erweitert. Durchschnittlich würden zwischen zwölf und 18 sehbehinderte und blinde Gäste die spezielle Audioübertragung an Spieltagen nutzen.

16.11.2022

Marko & Elvis unterwegs mit 05ER.tv

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Los geht Amons Arbeitstag an Spieltagen kurz vor der Stadionöffnung am Behindertenempfang mit einer kurzen Vorbesprechung zum Spieltag. "Anderthalb Stunden vor Anpfiff gehe ich rüber in den Pressebereich und hole dort die Anlage für die Reporter raus", erklärt Amon. Die Anlage wird später inklusive eines Soundchecks auf der Pressetribüne aufgebaut, von wo das Spiel kommentiert wird. Um sicherzustellen, dass das Audiosignal auch bei allen ankommt, verteilt Amon eine Viertelstunde vor Anpfiff die Empfangsgeräte an die Sehbehinderten und Blinden, gibt gegebenenfalls eine kurze Einweisung, steht auch während des Spiels stets für Fragen zur Verfügung und erkundigt sich regelmäßig, ob alles funktioniert. Nach dem Spiel wird dann alles wieder eingesammelt und die Anlage abgebaut.

Elvis unterstützt, wo er kann

Da Amon selbst sehbehindert ist, erhält er über den gesamten Tag tatkräftige Unterstützung von seinem Blindenführhund Elvis. "Er ist hauptsächlich dafür da, mir Hindernisse vom Hals zu halten, auf dem Weg zum Stadion und wieder nach Hause, aber teilweise auch in der Arena, wenn nicht allzu viel Trubel ist", erklärt Amon die Aufgabe seines Begleiters. Wenn Elvis mal nicht dabei ist, findet sich Amon mit einem Blindenstock zurecht, der Hund helfe aber und ist hinter den Kulissen mittlerweile schon fast zu einem Maskottchen geworden. 

Die Ausbildung zum Blindenführhund dauere circa ein Jahr, wobei die Grundausbildung von einem Trainer übernommen wird. "Der letzte Schliff" passiere dann in enger Zusammenarbeit mit der sehbehinderten Person. "In meinem Fall musste sich der Hund an das Stadion gewöhnen", erklärt Amon. Zunächst seien beide daher gemeinsam in der leeren MEWA ARENA gewesen, um Elvis die Möglichkeit zu geben, sich dort zu orientieren. Anschließend ging es zu einem Testspiel, um die neuen Reize für den Hund langsam zu steigern, bevor Elvis letztlich auch in Pflichtspielen zum Einsatz kam. "Es ist wichtig, dem Hund zu vermitteln, dass die Lautstärke nicht gefährlich ist, auch wenn er in einem vollen Stadion trotzdem ein wenig Stress hat", erklärt der Hundebesitzer. Aus diesem Grund bekommt Elvis auch während des Spiels seine Pausen. "Wenn er unruhig wird, gehen wir mal ein paar Minuten raus oder an einen Ort, an dem es stiller ist", möchte Amon seinen Hund nicht überfordern.

Blindenführhund Elvis unterstützt Amon rund um den Spieltag.

Spielgeschehen und Emotionen durch Audioreportage vereint

Er selbst verfolge die Partien der 05ER indes ebenfalls über die Blindenreportage. "Ich bekomme sonst nicht viel vom Spiel mit, sehe zwar den Platz und wenn ich Glück habe ein paar farbige Pünktchen, die da rumlaufen, aber das war es dann auch", erklärt Amon die Vorzüge der speziellen Audioübertragung des Spiels. Diese sei enorm nützlich, da viel ausführlicher als eine normale Reportage, denn es gibt kaum Redepausen. Der Kommentator orientiere sich stets am Ballgeschehen. "Das Schöne ist, dass man durch die Reportage im Stadion, neben der Atmosphäre, etwas vom Spiel mitbekommt. Man erfährt, warum die anderen Zuschauer gerade pfeifen oder jubeln. All das hat man früher nicht mitbekommen", so Amon weiter. Entsprechend sei es eine "Win-Win-Situation", denn zum einen werde das Spiel detailliert erklärt, zum anderen könne man die Emotionen von den Rängen besser einordnen.

Auch die Gastvereine können von dem Angebot profitieren, denn sie bekommen bis zu zwei Karten zur Verfügung gestellt. "Es gibt einige Klubs, die das regelmäßig nutzen, bei anderen Vereinen ist es eher sporadisch", erläutert der 05-Fan. Wenn Gästefans dabei sind, versuche man den Audiokommentar möglichst neutral zu gestalten, ansonsten könne es hier und da auch schon mal durch die Mainz-05-Brille sein, nehmen die Blindenreporter Rücksicht auf ihre Gäste von anderen Vereinen.