Profis 30.03.2023 - 10:40 Uhr
Berggreen: "Meine Enttäuschung stand mir im Weg"
Beim einzigen Punktgewinn der 05ER 2017 in Leipzig erzielte er ein Tor: Emil Berggreen blickt zurück auf seine Zeit weniger Lichtblicke und vieler Rückschläge bei Mainz 05
Die Bilanz der Auswärtsspiele des 1. FSV Mainz 05 in der Bundesliga bei RB Leipzig ist ernüchternd. Sechsmal sind die Rheinhessen bisher dort angetreten. Fünfmal reisten sie mit mehr oder weniger deftigen Packungen nach Hause. Einzig in der Saison 2017/18 brachte der FSV einen Punkt mit. Am 15. Spieltag gelang dem seinerzeit von Sandro Schwarz trainierten 05-Team ein verdientes 2:2-Unentschieden. Bis heute der einzige Punktgewinn bei diesem Gegner, der die Mannschaft von Bo Svensson am Samstag erwartet.
Jenes 2:2 Anfang Dezember 2017 ist eng verbunden mit dem Namen Emil Berggreen. Dem dänischen Mittelstürmer, den in Mainz das Verletzungspech derart hartnäckig verfolgte, dass man wirklich von einem Drama sprechen muss. Berggreen, der im Mai 30 Jahre alt wird, ist ein Fußball-Profi, der von seinem Können und Leistungsvermögen her eigentlich 250 Bundesligaspiele oder andere Profi-Einsätze in seiner Vita haben müsste, der aber immer wieder von Rückschlägen verfolgt wurde, und der in Mainz tatsächlich gerade mal auf 14 Erstligaeinsätze und vier Tore gekommen ist.
Verletzungspech von Anfang an
Zur Erinnerung. Die 05ER verpflichteten den langen Mittelstürmer Ende Januar 2016 vom Zweitligisten Eintracht Braunschweig. Doch der Wechsel stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Berggreen, den der Klub kurz vor Ablauf der Transferperiode für den zum SC Freiburg ausgeliehenen Florian Niederlechner geholt hatte, war nicht fit. Der damals 22-jährige Stürmer kam direkt aus einem Reha-Zentrum, wo er drei Wochen lang am Muskulatur-Aufbau gearbeitet hatte, um langsam ins Mannschaftstraining reinzukommen. Doch daraus wurde nichts. Schleimbeutelprobleme im Knie machten eine Operation erforderlich. Der Verein hoffte, innerhalb weniger Wochen einen vollwertigen Spieler zur Verfügung zu haben, aber bis zum Sommer war nicht mehr als individuelles Training möglich. Und es kam noch schlimmer: Berggreen erlitt im Juli beim ersten Trainingsversuch einen Kreuzbandriss im rechten Knie.
"Emil, nicht so viel laufen beim Torjubel"
Es dauerte bis zum 25. November 2017, bis der Profi sein Bundesligadebüt für Mainz 05 geben konnte und bei der 1:2-Niederlage in Freiburg sein erstes Tor erzielte. Eine Woche später gelang ihm in Leipzig der Kopfball zum 2:2-Ausgleich drei Minuten vor dem Abpfiff. Das Tor beim Comeback in Freiburg bezeichnet der 29-Jährige als Befreiung. "Man kann auch sagen eine Erlösung. Es war so wichtig für mich, direkt zu zeigen: Ich kann was, ich kann etwas einbringen ins Team. Zum Glück habe ich schnell mein erstes Tor gemacht. Trotzdem haben wir verloren, deswegen war es in Leipzig noch viel schöner.“ Der Ex-05ER muss nicht lange überlegen, um sich daran zu erinnern: "Es gab Eckball für uns. Ich habe zu Jairo gesagt, schau genau hin, jetzt mache ich ein Tor! Alex Maxim hat den Ball reingebracht, und ich war nicht gedeckt. Komisch, ich hatte vorher mit Braunschweig gegen Leipzig schon gespielt in der Zweiten Liga und Tore gemacht. In dem Moment dachte ich, haben die das vergessen? Wissen die nicht mehr, dass ich köpfen kann? Dann bin ich nach vorne gelaufen, der Ball kam aber länger als ich dachte, ich mache zwei Schritte nach hinten und springe ab. ich war allein und konnte den Ball ins lange Eck platzieren. Nach dem Spiel hat Sandro zu mir gesagt: 'Emil, nicht so viel laufen beim Torjubel!'“
Robin Quaison und Berggreen glichen in dieser Partie zweimal die Leipziger Führung aus. Am Ende verhinderte nur der Pfosten den ersten Auswärtssieg in dieser Saison bei Danny Latzas Direktabnahme aus 20 Metern in der Nachspielzeit. Die Mainzer feierten jedoch auch das 2:2 als Erfolg und einen enorm wichtigen Punktgewinn bei RB Leipzig, dem klar favorisierten Tabellenzweiten. Ein starker Auftritt mit einer bemerkenswerten Leistung brachte dem FSV ein hochverdientes Ergebnis, das Joker Berggreen letztlich sicherte.
Gemischte Gefühle in der Retroperspektive
Der Däne traf in der Rückrunde noch zweimal. Doch Krankheits- und Verletzungsprobleme blieben sein treuer Begleiter. Eigentlich hätten Verein und Profi gerne weiter zusammenarbeiten, den Vertrag verlängern wollen, aber leider gelang dies nicht. Was schade ist, denn Berggreen hat unter Beweis gestellt, dass er ein guter, treffsicherer Stürmer sein kann. Wenn er fit ist. "Deswegen schaue ich auf meine Zeit in Mainz mit gemischten Gefühlen zurück“, sagt er am Telefon. "Es gab diese schönen Momente. Ich hatte aber das Gefühl, es wäre so viel mehr drin, so vieles mehr möglich gewesen. Inzwischen ist das für mich okay, weil ich es nicht rückgängig machen oder verändern kann. Ich hätte natürlich gerne sehr viel mehr gespielt und Leistung gebracht. Ich war auch nicht immer klug. Ich war sehr ehrgeizig, wollte immer schnell wieder zurückkommen, schnell alles zeigen, was ich eigentlich kann. In gewissen Momenten hatte ich wohl nicht die Geduld. Und auch Druck, weil mein Anfang in Mainz so schlecht war, weil ich in den ersten beiden Jahren kein einziges Spiel absolvieren konnte. Ich war danach ehrgeizig, hatte überhaupt keine Ruhe. Wenn ich wieder etwas gespürt habe, habe ich es komplett ignoriert, weil ich alles zeigen wollte. Das war nicht immer klug.“
Sein Fazit: "Ich bin nicht sonderlich glücklich gewesen. Am Ende war ich sehr frustriert und enttäuscht. Ich hätte in meinem letzten Jahr in Mainz sicherlich Dinge besser machen können, aber meine Enttäuschung stand mir im Weg. Diese Enttäuschung ist heute weg. Jetzt bin ich einfach ein großer Fan von Mainz 05 und Bo, mit dem ich befreundet bin, seit ich ihm in Mainz über den Weg gelaufen bin.
Nach dem Abschied vom Bruchweg war Berggreen ein Jahr in Holland. "Es war sehr schön, eine neue Kultur zu erleben nach der langen Zeit in Deutschland. Mit guten, aber auch vielen schlechten Erlebnissen, mit den ganzen Verletzungen. Es war schön, einen Neuanfang hinzukriegen. Leider war es das Jahr, in dem Corona gekommen ist. Unsere Saison ist frühzeitig abgebrochen worden. Wir haben ein halbes Jahr keinen Fußball gespielt. Dann bin ich nach Fürth gewechselt und hatte erneut eine schwere Zeit.“ Berggreen kehrte zurück in die dänische Heimat. "Ich habe dort von Anfang an Fußball gespielt und mich wohlgefühlt. Sein Klub heißt SønderjyskE Fodbold. Nicht weit weg von der deutschen Grenze. Die Mannschaft ist in der vergangenen Saison abgestiegen aus der ersten Liga. Der Mittelstürmer hat eine sehr gute Abschlussquote. "Im letzten Jahr habe ich, glaube ich, 20 Spiele absolviert und zehn Tore gemacht. Das ist wie immer bei mir. Ich habe eine ordentliche Quote, wenn ich fit bin und spiele. Mein Ziel ist noch mehr zu spielen, mehr Tore zu schießen und mit dem Team wieder aufzusteigen. "Ich bin leider gerade verletzt wegen eines kleinen Eingriffs im Fuß, bin aber nicht weit weg. Und generell bin ich so stabil, wie seit Jahren nicht.“
Die Gesprächsanfrage aus seinem ehemaligen Verein hat der Däne umgehend bestätigt. "Ich freue mich immer, etwas aus Mainz zu hören. Vor allem wegen Bo. Er ist mein Freund, und ich finde es schön, wie gut es geht mit der Mannschaft. Die Partie am Samstag in Leipzig werde ich mir im TV ansehen“, sagt er.