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Verein 08.10.2022 - 15:10 Uhr

Mehr als ein halbes Leben für Mainz 05

Vor dem Heimspiel gegen Leipzig gedenkt der FSV Horst Hülß, einem unvergessenen 05ER.

Horst Hülß (re.) auf der Trainerbank.

Am Samstagnachmittag wird sein Platz leer bleiben, wenn der FSV ab 15.30 Uhr in der MEWA ARENA auf Leipzig trifft - und zwar für immer. In stillem Gedenken nehmen die 05ER in Form einer Schweigeminute Abschied vom am Freitag verstorbenen Horst Hülß, der die Mainzer über Jahrzehnte mitgeprägt hatte.

Der Stammplatz von Horst auf der Medientribüne der MEWA ARENA

Horst Hülß wurde am 5. September 1938 in Rossach im bayerischen Landkreis Coburg an der Grenze zu Thüringen geboren und spielte Fußball im TSV Rossach. Mit 20 Jahren wechselte er in die Oberliga West zu Viktoria Köln, in die seinerzeit höchste deutsche Spielklasse. Der Läufer, wie man die Mittelfeldspieler damals noch bezeichnete, wurde schnell Stammspieler, absolvierte für Viktoria zwei internationale Spiele im damaligen Messepokal, dem Vorgänger des ab 1971 ausgetragenen Uefa-Pokals. Hülß studierte zudem an der Sporthochschule Köln und machte seinen Fußballlehrer-Schein unter Hennes Weisweiler, seinem Vereinstrainer bei Viktoria Köln, der so etwas wie der Ziehvater des jungen Fußballers wurde. Weisweiler, in den 1970er Jahren einer der weltweit erfolgreichsten Vereinstrainer, kümmerte sich, wie Hülß später erzählte, auch privat um den Studenten, der häufig zum Essen im Hause Weisweiler zu Gast war. Der Weisweiler-Schüler spielte bei der Viktoria zusammen mit Gero Bisanz, später Weisweilers Nachfolger als Leiter der Fußballlehrer-Ausbildung an der Sporthochschule Köln und beim DFB als Bundestrainer mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft dreimal Europameister und einmal Vize-Weltmeister. Mit seinem anderen Kölner Mitspieler Erich Ribbeck, später erfolgreicher Bundesliga-Trainer und danach Bundestrainer, verband Hülß zeitlebens eine enge Freundschaft.

1965, im Alter von 26, wechselte Hülß als Vertragsspieler für Mainz 05 in die Regionalliga. Ausschlaggebend für den Wechsel war wohl nicht zuletzt die erfolgreiche Pokalrunde der 05ER, die im DFB-Pokal bis ins Viertelfinale gekommen waren und dabei sowohl den aktuellen Deutschen Meister 1860 München als auch Pokal-Titelverteidiger Werder Bremen in unvergessenen, großen Spielen aus dem Wettbewerb geworfen hatten.

In Mainz war Hülß nicht der klassische Spielmacher, den gab es zu dieser Zeit noch nicht, sondern wurde zum Spielorganisator, dem Verbinder zwischen Offensive und Defensive und bald Chef der Mannschaft. Hülß war technisch stark, taktisch versiert und passte damit genau ins Profil, das Trainer Heinz Baas für seine Vorstellung von modernem Fußball im Mittelfeld gesucht hatte. Der Neuzugang verpasste in drei Jahren nur wenige Spiele, erzielte in 83 von möglichen 90 Einsätzen 13 Tore.  1965/66, in der letzten Saison von Heinz Baas, wurde der FSV mit Hülß Dritter, verpasste knapp die Bundesliga-Aufstiegsrunde.  

1966/67 unter dem neuen Trainer Kurt Zaro bewegte sich Hülß mit dem FSV überwiegend im Mittelfeld der Tabelle. "Die Chemie hat nicht gestimmt, der Trainer hat nicht alle Spieler erreicht“, erzählte Hülß später einmal.  Zaros Nachfolger wurde die 05-Legende Walter Sonnenberger. „Er hatte eine angenehme Art, kameradschaftlich mit der Mannschaft umzugehen, vielleicht war das das Entscheidende. Er war schon als Spieler anerkannt. Man wusste von seinen beiden Toren gegen Bert Trautmann im Jubiläumsspiel. Also haben wir Spieler uns besonders reingekniet. Wir wollten ihn nicht enttäuschen", erinnerte sich Hülß später. In der Saison 1968/69 verließ er die Mainzer, um Spielertrainer beim VfB Ginsheim zu werden. In Mainz hatte Hülß jedoch seine neue Heimat gefunden und wurde zu einer der prägenden Figuren der regionalen Fußballszene. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere trainierte er ab 1968 nicht weniger als zwölf Vereine im Rhein- Main-Gebiet, darunter auch Mainz 05 in der Zweiten Bundesliga, Amateurliga sowie Oberliga (1976-80) und erneut in der Zweiten Bundesliga (1988). Unter ihm wurden die 05er Südwestmeister (1978) und dreimal Südwestpokal-Sieger (1977, 1979 und 1980).

1988 übernahm Hülß von Aufstiegs-Trainer Horst-Dieter Strich die Verantwortung für die Zweitliga-Mannschaft am Bruchweg. Eine Herkulesaufgabe. Das aus Halbprofis bestehende Mainzer Team hatte in der Zweiten Liga keine Chance, steht nach der Vorrunde auf dem vorletzten Tabellenplatz. Robert Jung ersetzt Hülß auf dem Trainerstuhl, kann aber ebenso wenig wie sein Vorgänger tun, um den Abstieg zu verhindern. Hülß selbst trainierte später noch in Ingelheim, Sindlingen, Walluf, bei Italia Wiesbaden und wurde zur Jahrtausend-Wende noch einmal Oberliga-Coach bei der SG Walluf im Rheingau.

Aus der Saison 1988/89 gibt es eine nette Anekdote, an die sich die Journalisten, die den Zweitligisten Mainz 05 seinerzeit begleiteten, gerne erinnern. Hülß, der im Hauptberuf Studiendirektor am Mainzer Schloss-Gymnasium war, hielt seine Pressekonferenzen mit den lokalen Medien vor den jeweiligen Spieltagen gerne in seiner Mittagspause im nahen gelegenen Café im Allianz-Haus (Ecke Große Bleiche/Bauhofstraße) ab. Und zwar mit Publikum, denn Hülß pflegte sich dort mittags mit einer Runde von 05-Mitgliedern und Prominenz zu treffen.  So waren beispielsweise der legendäre Fastnachter Rolf Braun, Fußball-Vize-Weltmeister Lothar Emmerich, der frühere 05-Torjäger Gerhard (Bimbo) Bopp und etliche andere Mainzer Honoratioren aufmerksame und gerne auch kommentierende Zuschauer der Presserunden.

Sandro Schwarz, der langjährige 05-Spieler und -Trainer, hatte Hülß im Schloss-Gymnasium als Sportlehrer und Trainer der Schulmannschaft, in der gute Fußballer gefördert und trainiert wurden. "Horst Hülß war ein wichtiger Mensch für mich, ein langjähriger Wegbegleiter und Ratgeber", sagt der aktuelle Cheftrainer von Hertha BSC. "Ich fand es auch immer sehr beruhigend, wenn Horst in den Spieltags-Pressekonferenzen bei Mainz 05 vorne rechts auf seinem Stammplatz gesessen hat.“ Hülß war von 1996 bis 2012 außerdem Pressereferent des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL). Bei den Heimspielen des FSV, insbesondere im Medienbereich und bei den Pressekonferenzen, war er über viele Jahre ein gern gesehener Stammgast. In der Arena war es allen Mainzer Trainern stets ein Bedürfnis vor Beginn der Pressekonferenzen zunächst Horst Hülß zu begrüßen und ein wenig mit dem Altmeister zu fachsimpeln.

Seinen Lebensabend verbrachte Horst Hülß in einem Mainzer Pflegeheim. Eine private Initiative aus der Fanabteilung ermöglichte ihm so lange wie möglich den Besuch der Heimspiele seines Vereins.

Lebe wohl, Horst. Wir werden Dich nicht vergessen!