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Profis 21.12.2022 - 10:00 Uhr

Karhan: Autoritätsperson & Zweitliga-Torjäger

05-Legenden-Adventskalender: Türchen Nummer 21

Vier Jahre lang fungierte Karhan als Stratege im Mittelfeld des FSV.

Zehn Wochen ohne Bundesliga-Fußball unserer 05ER - das dauert viel zu lange, oder? Wir wollen diese Zeit mit gemeinsamen Erinnerungen überbrücken und haben uns etwas Besonderes ausgedacht: Der diesjährige Adventskalender steht ganz im Zeichen der 05-Legenden.

Passend zur früheren Rückennummer eines Ehemaligen präsentieren wir euch auf unserer Website täglich Mainzer Fußball-Geschichte und Geschichten zu unseren ehemaligen Profis. Unseren bewährten Adventskalender mit täglich neuen Gewinnchancen von Mainz 05 und unseren Partnern erreicht ihr auch über die Story auf unserem Instagram-Kanal.

Präsentiert wird der Kalender auch in diesem Jahr von Haupt- und Trikotsponsor Kömmerling.

Miroslav Karhan, der nach außen hin stets grimmig wirkendende, schweigsame Profi aus der Slowakei, dem Pressegespräche zumeist ein Gräuel waren, erweist sich im Telefonat mehr als zehn Jahre nach seinem Abschied aus Mainz als freundlicher Gesprächspartner, der alle Fragen beantwortet. Sein Mitteilungsbedürfnis hat sich jedoch kaum verändert. Der zentrale Mittelfeldspieler mit der internationalen Karriere, der unter anderem bei Betis Sevilla und Besiktas Istanbul spielte, ist nach wie vor kein großer Geschichtenerzähler. Das Gespräch mit dem heute 46-Jährigen erinnert sofort an jenen Tag im Trainingslager des 1. FSV Mainz 05 in Flachau 2010. Neuzugang Radoslav Zabavnik sollte sich zum Kennenlernen den mitgereisten Journalisten vorstellen. Aufgrund der Sprachbarriere schickte der Verein Zabavniks Landsmann Karhan als Übersetzer in die Medienrunde. Zabavnik erzählte minutenlang munter über seine Eingewöhnungszeit, über die unterschiedlichen Trainingsansätze und über vieles mehr. Karhans Übersetzung des Vortrags lautete: "Ja, es gefällt ihm gut hier, er fühlt sich wohl und ist gut aufgenommen worden." Punkt. Ende. Karhan musste dann selbst einstimmen in das allgemeine Gelächter. Diese Situationskomik wird wohl niemand vergessen, der damals dabei war, und irgendwie beschreibt diese Szene Karhan und dessen schelmischen Humor ganz gut.

Karhan absolvierte 43 Bundesliga- und 66 Zweitligaspiele für den FSV. Als Rekordnationalspieler seines Landes (108 Einsätze) und Rekord-Bundesligaspieler des VfL Wolfsburg (173 Spiele) kam Karhan 2007 zu den gerade abgestiegenen Mainzern. Vier Jahre lang war er eine große Autoritätsperson im zentralen Mittelfeld, ein Arbeiter, ein Organisator, aber auch ein Elfmeterschütze und ein Mann, der gute Pässe aus dem finsteren Wald spielen konnte.

Ein kluger Pass ins Nichts

In seinem ersten Zweitligajahr schoss Karhan fünf Tore und bereitete zehn vor, im zweiten sind ebenfalls fünf Tore sowie sieben Vorlagen notiert, in der Bundesliga trat Karhan offensiv weniger in Erscheinung, legendär wurde allerdings sein Pass ins Leere beim Heimsieg gegen die Bayern: Das Spiel war fast vorbei, die 05ER waren müde, es stand 2:1. Und weil er keine brauchbare Anspielstation fand, spielte Karhan den Ball etwa von der Mittellinie präzise kurz vor die Eckfahne der Gäste. Diesen Ball wieder einzusammeln, kostete die Bayern wertvolle Sekunden.

Jene Saison endete für Karhan mit einer gewissen Tragik: Mit dem Ziel der ersten slowakischen WM-Teilnahme vor Augen hatte der längst nicht mehr junge Mittelfeldspieler noch einmal bemerkenswerte Leistungen gebracht. Doch wegen einer in der WM-Vorbereitung erlittenen Verletzung konnte er in Südafrika nicht mitspielen. In der folgenden Bundesliga-Hinrunde war Karhan noch eine Art Stammspieler, verlor seinen Platz in der Startelf jedoch bald und kehrte nach der Saison zurück zu seinem Stammverein Spartak Trnava, wo er nach drei letzten Jahren als Spieler eine Trainerlaufbahn einschlug.

Als Rekordspieler abgelöst

"Mir geht es gut. Ich kann mich nicht beschweren", sagt der Ex-Mainzer, der seit einem halben Jahr als Trainer beim slowakischen Drittligisten Nove Mesto arbeitet.

Dass er mal Rekordnationalspieler seines Landes gewesen ist, sei schön, "aber das ist schon lange vorbei. Es war klar und ich habe damit gerechnet, dass mich jemand ablöst (Anm. d. Red.: Marek Hamšík im Oktober 2018). Das ist doch ganz normal", sagt er. Und seine Karriere als Ganzes? "Ich kann sagen, es war eine super Zeit. Ich habe mein Hobby zu meinem Beruf machen können, und das war für mich das Wichtigste. Ich hatte immer Freude am Fußball und habe alles dafür getan, dass ich auf diesem Niveau Fußball spielen kann."

Die 05-Neuzugänge Svensson, Baljak, Hoogland, Karhan, Gunkel & Markolf mit Jürgen Klopp im Sommer 2007.

Zusammen mit Bo Svensson, Srdjan Baljak, Tim Hoogland und Daniel Gunkel war Karhan 2007 an den Bruchweg gekommen. "Ich habe vorher schon immer gesagt, dass ich gerne unter Kloppo trainieren möchte. Ich wollte ihn kennenlernen. Das war der eine Grund für den Wechsel. Ich hatte sechs Jahre in Wolfsburg gespielt und wollte im Land bleiben, das war mir wichtig. Und Mainz war hundertprozentig die richtige Entscheidung", sagt er.

"Der Aufstieg in die Bundesliga, dass wir das geschafft haben, auch wenn es im ersten Jahr unter Kloppo nicht gelungen war, das bleibt für immer hängen. Denn es war eine super Mannschaft. Und seitdem ist Mainz 05 nicht mehr abgestiegen. Das ist großartig und wichtig für den Verein, in der ersten Liga zu spielen." Karhan ist aber niemand, der ausführlich erzählen würde von Highlights und Ereignissen. "Das fällt mir nach so langer Zeit schwer", sagt er. "Aber das Halbfinale im DFB-Pokal gegen Leverkusen gehört sicherlich dazu. Es war ein gutes Spiel von uns, leider haben wir in der Verlängerung verloren. Die Pokalrunde insgesamt in der Saison war extrem gut." Der 3:1-Erfolg gegen den 1. FC Köln, das 3:1 in Freiburg, das 1:0 im Viertelfinale am Bruchweg gegen Schalke 04 mit dem Siegtor von Aristide Bancé, der die Mainzer im Halbfinale gegen Leverkusen mit seinem Ausgleichstor zum 1:1 in der 88. Minute in die Verlängerung brachte.

Einladungen der Traditionsmannschaft

Der Slowake erinnert sich zudem gerne an Trainer Thomas Tuchel, "der konnte die Mannschaft taktisch sehr gut einstellen, das war sicher seine große Stärke. Er wusste, wie er eine Mannschaft entwickeln kann."

2011 ging es zurück in die Slowakei. "Ich habe noch drei Jahre lang in meinem Heimatverein Spartak Trnava gespielt, wo meine Karriere begonnen hatte und habe dann mit 37 Schluss gemacht mit dem aktiven Fußball. Er wurde Sportdirektor und später Trainer in Trnava. "Kontakte nach Mainz gibt es aktuell leider kaum noch. Es ist schwierig, muss ich sagen. Ich habe einige Einladungen zu Spielen der Traditionsmannschaft bekommen, aber es ist ein weiter Weg und es war zeitlich bislang nicht so einfach. Mainz ist dennoch bei mir bis heute in guter Erinnerung geblieben."