Erinnerungskultur
Der 1. FSV Mainz 05 ist weit mehr als ein Fußballverein: Er ist Teil der Mainzer Stadtgeschichte und eng mit der gesellschaftlichen Entwicklung der Region verbunden. Die Vereinsgeschichte reicht von der Gründung im Jahr 1905 über die Herausforderungen und Brüche während der Zeit des Nationalsozialismus bis in die Gegenwart.
Unter Erinnerungskultur wird verstanden, die Geschichte des Vereins in all ihren Facetten sichtbar zu machen – die sportlichen Erfolge ebenso wie die dunklen Kapitel. Die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen jener Zeit bewahrt das Gedächtnis an die Menschen, die mit Mainz 05 verbunden waren, und unterstreicht die Bedeutung von Werten wie Offenheit, Vielfalt und Solidarität für das heutige Selbstverständnis des Vereins.

Geschichte (Gründung)
Im März 1905 schloss sich im "Café Neuf“ eine Gruppe junger Männer zusammen, um den neuen Sport "Fußball“ in Mainz zu spielen. Was als „Wildes Gebilde“ begann, entwickelte sich schnell zu einem professionelleren Verein, unter dem damaligen Namen "1. Mainzer Fußballclub Hassia 05". Eugen Salomon wurde im Alter von 17 Jahren zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Der Verein musste in seiner Anfangszeit viele schwierige Phasen überstehen. Bereits kurz nach der Gründung musste er während des Ersten Weltkriegs seinen Spielbetrieb einstellen. Der damalige Sportplatz wurde in einen Kartoffelacker umgewidmet, die Tribünen und Holzzäune abgebaut und als Brennholz verwendet. Viele Vereinsmitglieder zogen als Soldaten in den Krieg, und einige von ihnen ließen dort ihr Leben. Nach Kriegsende mussten sich die Vereine in Mainz neu aufstellen. Dies führte dazu, dass sich mehrere Vereine 1919 zusammenschlossen und fortan unter dem Namen „Fußball- und Sportverein Mainz 05“ auftraten.

Während der NS-Zeit
Am 13. Juni 1932 besuchte Adolf Hitler Mainz. Vor 20.000 bis 25.000 Menschen sprach er am Abend im Stadion am Fort Bingen, dem damaligen Stadion der 05ER.
Laut Mainzer Anzeiger äußerte sich der Verein an diesem Tag zur Neutralität: „Um allen umlaufenden Gerüchten die Spitze abzubrechen, sieht sich die Vereinsleitung veranlasst, zu erklären, dass der Sportplatz am Fort Bingen sämtlichen Parteien und Bewegungen, vorausgesetzt, dass sie staatserhaltend sind, auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird. Der Verein bleibt gemäß seinen Satzungen nach wie vor politisch und zeitlos vollkommen neutral. Gegen alle dem Verein und dessen Mitglieder schädigende Gerüchte wird die Vereinsleitung strengstens vorgehen.“
Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, zeigten sich schnell Veränderungen für die Sportvereine im Reich. Im April 1933 veröffentlichten 14 süddeutsche Fußballvereine die „Stuttgarter Erklärung“. Darin verpflichteten sie sich, jüdische Mitglieder aus den Vereinen auszuschließen. Mainz 05 und Wormatia Worms gehörten nicht zu den Unterzeichnern. Woran dies lag, ist nicht genau belegt. Die Tatsache, dass beide Vereine an diesem Tag ein wichtiges Spiel gegeneinander austrugen und deshalb nicht zur Versammlung nach Stuttgart fahren konnten, könnte eine Erklärung sein.
Im August 1933 bekannte sich schließlich auch Mainz 05 auf einer Generalversammlung zum nationalsozialistischen Staat und erklärte sich zur Gleichschaltung bereit. In der Folge wurden jüdische Mitglieder aus dem Verein gedrängt und vom Vereinsleben ausgeschlossen.
In den Anfangsjahren von Mainz 05 waren jüdische Mitglieder in verschiedenen Ämtern aktiv. Mit der systematischen Ausgrenzung ab 1933 veränderte sich auch das Vereinsleben jedoch drastisch.
Einer der prägendsten Personen des Vereins war der langjährige Vorsitzende Eugen Salomon.

Eugen Salomon
Eugen Salomon (*5. März 1888 in Wörrstadt) entdeckte schon als junger Mann seine Leidenschaft für den Fußball und wurde im Alter von 17 Jahren zum Vorsitzenden des heutigen 1. FSV Mainz 05 gewählt.
Während seines Militärdienstes in Lothringen (heutiges Frankreich) lernte er seine Frau Alice Lazard kennen und gründete mit ihr eine Familie. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrten sie nach Mainz zurück. Die Familie lebte bis 1933 in der Boppstraße 64, wo heute ein Stolperstein an seinen letzten freiwillig gewählten Wohnort erinnert.
Als Jude war Eugen Salomon seit der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933 zunehmender Ausgrenzung und politischen Einschränkungen ausgesetzt. Die Familie Salomon floh Mitte 1933 vor den Nationalsozialisten nach Frankreich. Trotz der schwierigen Zeiten gelang es ihm immer wieder, sich ein neues Leben aufzubauen. Am 6. Oktober 1942 wurde Eugen Salomon von den Nazis verhaftet und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde er am 14. November 1942 im Alter von 54 Jahren ermordet.
Sein Erbe lebt im Gedenken des 1. FSV Mainz 05 weiter – der Verein und seine Fans setzen sich aktiv gegen das Vergessen ein.
Aktiv gegen das Vergessen!
Das ist auch ein zentrales Anliegen des Mainz 05 Schulprojekts 05ER Klassenzimmer. Gemeinsam mit der IB Südwest gGmbH, den SchUM Städte e.V. und Schülerinnen der Hildegardisschule Bingen (05ER Klassenzimmer-Partnerschule) wurde ein Projekt geschaffen, das Fans und Besucherinnen und Besucher der MEWA ARENA zum aktiven Gedenken anregt. Unter dem Motto „Gemeinsam an Eugen Salomon erinnern“ begaben sie sich auf eine historische Spurensuche, um einen Ort der lebendigen Erinnerung zu gestalten.
Mehr zum Lebensweg Eugen Salomons
Eva Szepesi – Zeitzeugin des Holocaust
Als Überlebende und Zeitzeugin des Holocaust trägt Eva Szepesi eine wichtige Stimme des Erinnerns. Geboren 1932 in Budapest, erlebte sie mit zwölf Jahren die Deportation mit dem letzten Transport nach Auschwitz-Birkenau im Jahr 1944. Nur durch ein unglaubliches Glück überlebte sie das Lager: Die Aufseher hielten sie für tot, sodass sie mehrere Tage regungslos unter den Leichen liegen konnte. Am 27. Januar 1945, dem Tag der Befreiung, wurde sie von der Roten Armee befreit.
Nach dem Krieg zog sie 1954 mit ihrem Mann nach Frankfurt am Main. Fünfzig Jahre lang sprach sie nicht über ihre Erlebnisse. Erst 1995, zum 50. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, begann sie, ihre Geschichte zu teilen. Seitdem engagiert sie sich als Zeitzeugin, spricht in Schulen und bei Gedenkveranstaltungen und setzt sich für das Erinnern an den Holocaust ein.
Für ihr unermüdliches Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Ehrensiegel in Silber der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. In ihrer Dankesrede betonte sie: „Es ist meine Lebensaufgabe geworden, für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können.“
Margot Friedländer – Zeitzeugin des Holocaust
Margot Friedländer wurde 1921 in Berlin geboren und überlebte den Holocaust als einzige ihrer Familie. 1944 wurde sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie bis zur Befreiung durch die Rote Armee im Mai 1945 inhaftiert war. Nach dem Krieg emigrierte sie 1946 in die USA, kehrte jedoch 2010 im Alter von 88 Jahren nach Berlin zurück. Seitdem engagierte sie sich unermüdlich als Zeitzeugin, hielt Vorträge in Schulen und gründete 2023 die Margot Friedländer Stiftung, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzt. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Margot Friedländer verstarb am 9. Mai 2025 im Alter von 103 Jahren in Berlin.
Roman Herzog –Bundespräsident sowie Förderer des Holocaust-Gedenkens & europäischer Grundrechte
Roman Herzog, geboren 1934, war von 1994 bis 1999 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Besonders bedeutsam war sein Einsatz für das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus: 1996 führte er den 27. Januar als offiziellen Gedenktag in Deutschland ein, den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Mit diesem Schritt setzte Herzog ein starkes Zeichen gegen das Vergessen und für die Erinnerungskultur in Deutschland.
Darüber hinaus spielte er eine zentrale Rolle auf europäischer Ebene, indem er den ersten Europäischen Konvent leitete, der die Erarbeitung einer Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorbereitete. Diese Charta, die 2000 verabschiedet wurde, fasst die grundlegenden Rechte und Freiheiten zusammen, die für alle EU-Bürger gelten, und ist ein Meilenstein für den Schutz von Menschenrechten in Europa.
Herzogs Engagement für Demokratie, Menschenrechte und historisches Bewusstsein prägt bis heute sowohl die deutsche Gesellschaft als auch die europäische Gemeinschaft.

Das Projekt wird von der Stiftung EVZ und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) im Rahmen des Programms JUGEND erinnert vor Ort & engagiert gefördert.
Kooperationspartnerschaften
